Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
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wahrnahm.
Der Innenhof des Palasts war mit
Papierlaternen geschmückt, die Frauen des Harems flatterten lachend und
plaudernd umher wie aufgeregte bunte Vögel. Eine Gruppe Musikanten spielte, und
auf einer langen Reihe von Tischen waren die exotischsten Speisen und Getränke
aufgebaut.
Khalif hatte sich fast vollständig
erholt, und der Aufstand war niedergeschlagen, ein für allemal. Das mußte
gefeiert werden.
»Ich werde es bedauern, wenn du
abreist, mein Freund«, sagte der Sultan zu Patrick, während sie Boza tranken
und die Frauen beim Tanz beobachteten. »Ich habe das Gefühl, daß du so bald
nicht wieder nach Riz zurückkehren wirst.«
Charlotte befand sich auf der
anderen Seite des Hofs, bei ihrer Freundin Alev, und Patricks Herz flog ihr zu,
als er sie erblickte. »Es wird Zeit, daß ich ein eigenes Heim und eine Familie
gründe«, antwortete er. »Denn eigentlich bin ich ja Pflanzer und kein
Schiffskapitän. Die Enchantress wird in Zukunft nur noch auslaufen, wenn
Zuckerrohrernten oder Indigo zu befördern sind.«
Khalif räusperte sich. »Während
meiner Krankheit hat Charlotte mich gepflegt. Und ich habe angefangen, sie zu
lieben.«
Patrick schaute seinen Freund an,
der sehr ernst und unbehaglich wirkte. »Ich weiß«, sagte er begütigend und
legte Khalif die Hand auf die Schulter. »Wenn du viel Flüssigkeit zu dir nimmst
und dich gründlich ausruhst, wirst du den Virus besiegen.«
Der Sultan errötete, etwas, was
Patrick noch nie an ihm gesehen hatte. Er setzte zu einer Entgegnung an, doch
dann verstummte er verlegen.
Patrick klopfte seinem Freund auf
die Schulter. »Sie erwartet ein Kind von mir«, sagte er sanft. »Aber du kannst
sie trotzdem fragen, ob sie bei dir bleiben möchte. Sollte sie zustimmen was
nicht der Fall sein wird, weil sie nicht ertragen könnte, nur eine unter vielen
Ehefrauen zu sein — würde ich sie freigeben. Charlottes Glück ist mir wichtiger
als alles andere.«
Khalif seufzte. »Ich würde
dergleichen nie erwähnen, wenn ich nicht wüßte, daß eure Eheschließung in eurem
eigene« Kulturkreis nicht anerkannt wird. Denn eine christliche Trauung hat
bisher nicht stattgefunden, oder?«
Ein seltsam trotziges Gefühl regte
sich in Patrick, aber er bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Nein.« Nachdenklich
betrachtete er seinen Freund. »Es wundert mich, Khalif, daß du eine Frau
begehrst, die das Kind eines anderen Mannes unter dem Herzen trägt. Denn trotz
vieler positiver Eigenschaften ist eure Gesellschaft in bezug auf diese Dinge
nicht gerade fortschrittlich zu nennen.«
»Die Tatsache, daß der Vater des
Kindes mir so nahesteht wie ein Bruder — oder näher — ändert vieles«, erwiderte
Khalif ruhig.
Patricks Zuneigung zum Sultan hatte
sich durch das Gespräch keineswegs verringert, dazu kannte er ihn zu gut und
schätzte ihn zu sehr. Aber das bedeutete noch lange nicht, daß Patrick Khalif
jetzt nicht am liebsten niedergeschlagen hätte, weil es ihn nach der Frau
gelüstete, die er liebte. Der Kapitän deutete auf Charlotte. »Sag ihr, was du
für sie empfindest. Du wirst wahnsinnig werden, wenn du es nicht tust.«
Khalif maß Patrick mit einem
forschenden Blick, dann wandte er sich ab und ging auf Charlotte zu. Patrick
wollte nicht hinschauen, aber soviel Selbstbeherrschung besaß er nicht. Er
hockte sich auf eine Mauer und beobachtete.
Es stimmte, daß er Charlotte noch
nie seine Gefühle gestanden und auch auf eine gesetzlich anerkannte Trauung
verzichtet hatte, als sie sich in einem christlichen Land befanden und
Gelegenheit dazu gehabt hätten. Vielleicht war er noch immer der Wüstling von
früher. Vielleicht würde er ihrer irgendwann müde werden und sie schwer
verletzten ...
Der Sultan nahm Charlottes Hand und
entführte sie in die zunehmende Dunkelheit. Patrick, der es sah und daran
dachte, was er vorgehabt hatte, als er Charlotte in die Schatten zog und ihren
Rock anhob, sprang von der Mauer.
Doch dann nahm er sich zusammen.
Charlotte hatte ein Recht auf ihre eigene Entscheidung. Außerdem war es ziemlich
unwahrscheinlich, daß sie den Wunsch verspürte, bei Khalif zu bleiben, um zu
ihm befohlen zu werden wie eine Sklavin, wenn er den Wunsch danach verspürte.
Patrick biß sich auf die Lippen.
Nicht wenige Frauen waren glücklich und zufrieden mit ihrem Leben im Harem. Sie
verfügten über jeden Luxus, und die Aufmerksamkeiten ihres Gatten waren selten
genug, um nicht zu einer ermüdenden Pflicht zu werden. Wenn Charlotte
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