Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
noch ein bißchen zu früh, um sich für eine andere Frau zu
interessieren?«
Gideon zuckte die Schultern.
»Interesse für eine Frau aufzubringen, ist nicht das Gleiche, wie in sie
verliebt zu sein«, entgegnete er ernst. »Ich werde die Erinnerung an Susannah
bewahren, bis der Himmel uns wieder vereint, aber eine meiner größten
Charakterschwächen ist, daß ich nicht allein sein kann. Ich bin sicher, daß ich
bei der erstbesten Gelegenheit wieder heirate, und Stella ist als Kandidatin
so gut wie jede andere.«
Charlotte setzte sich an das Klavier
und ließ ihre Finger über die Tasten gleiten. »Männer sind merkwürdige Wesen.«
»Und was brachte sie zu dieser
Einsicht, wenn ich fragen darf?« entgegnete Gideon belustigt.
Charlotte bemühte sich um ein
Lächeln, aber es mißlang. »Es ist recht beunruhigend für eine Frau, zu wissen,
daß der Mann, den sie liebt, sie so mühelos ersetzen könnte.«
»Wir sprechen jetzt über den
Captain, nicht wahr?«
Errötend senkte sie den Blick. »Ja«,
gab sie leise zu. »Es ist ein schrecklicher Gedanke, daß ich von wilden Tieren
zerrissen werden könnte, und Patrick sagen würde, >Armes Mädchen, schade um
sie<, um sich sogleich darauf abzuwenden und nach einer anderen
umzuschauen.«
»Sie unterschätzen Ihren Platz in
Mr. Trevarrens Herz.« »Sie irren sich, Mr. Rowling«, entgegnete Charlotte
traurig. »Gideon«, berichtigte er.
Charlotte spürte, wie ihr die Tränen
kamen. »Gideon«, sagte sie leise und wandte den Kopf ab. Dann jedoch, nach
einigen Sekunden verlegenen Schweigens, zwang sie sich, Gideon wieder
anzusehen. Seine sanfte Natur, sein stilles Verständnis flößten ihr Vertrauen
ein. »Ich befinde mich in einer schrecklichen Lage«, gestand sie und trocknete
mit dem Handrücken ihre Augen. »Ich war mit Captain Trevarren verheiratet, aber
jetzt bin ich es nicht mehr, und ich erwarte ein Kind von ihm.«
Gideon reichte Charlotte seine Hand,
und sie ergriff sie dankbar. »Fahren Sie fort«, forderte er sie auf.
Charlotte faßte Mut und begann zu
erzählen, die ganze Geschichte, angefangen von ihrer ersten Begegnung mit
Patrick vor so vielen Jahren und so weit entfernt in Seattle. Sie habe Mr.
Trevarren vom ersten Augenblick an geliebt, gestand sie, schon damals, als sie,
zitternd vor Angst, in der Takelage der Enchantress gehangen und er sie
heruntergeholt hatte. Sie war seine Frau geworden, seine rechtmäßige Gattin,
zumindest in ihrem eigenen Herzen, als Khalif sie zu Eheleuten erklärte. Doch
Patrick hatte diese Verbindung aufgelöst. Ein frischer Tränenstrom quoll aus
Charlottes Augen, als sie erzählte, wie leicht es für ihn gewesen war — er
hatte nur dreimal in die Hände klatschen und ich verstoße dich zu sagen
brauchen, während Charlotte ihre Bindung an ihn immer als unauflösbar
betrachtet hatte. Und nun, vertraute sie Mr. Rowling unglücklich an,
beabsichtigte Patrick, sie zu verlassen und zu vergessen.
Als sie ihre abenteuerliche
Geschichte beendete, von der sie nur die intimsten Einzelheiten ausgelassen
hatte, entdeckte sie ein neues Feuer in Gideons hellbraunen Augen. Ein Muskel
zuckte an seinem markanten Kinn. »Bei allem, was heilig ist!« flüsterte er in
nur mühsam beherrschtem Zorn. »Der Mann ist dreist genug, Gottes ureigene
Gesetze zu verhöhnen!«
Charlotte schluckte und fragte sich,
ob sie vielleicht zuviel gesagt hatte. Es wäre schließlich nicht das erste Mal
gewesen. »Ich glaube nicht, daß er das damit beabsichtigte ...« begann
sie, doch Gideon ließ sie nicht ausreden.
»Es ist skrupellos und unduldbar«,
erklärte er, um dann in feierlichem Ton hinzuzusetzen: »Charlotte — wenn
Patrick Sie nicht im Angesicht Gottes zu seiner rechtmäßigen Frau macht und
Ihnen und Ihrem Kind seinen Namen gibt, werde ich es tun.«
Sie spürte, wie sie erblaßte. Gideon
war ein feiner Mensch, gut und sanft und auch noch attraktiv dazu, aber so
wundervoll er auch sein mochte, befürchtete Charlotte doch, ihm niemals
eheliche Rechte gewähren zu können. Trotz ihrer tapferen Worte Patrick
gegenüber, sie würde sich in Quade's Harbor einen Liebhaber nehmen und eine
Lebedame werden, falls er sie verließ, war ihr der Gedanke, ein anderer Mann
könnte sie berühren, schlicht und einfach unerträglich.
Gideon erhob sich halb von seinem
Stuhl und gab Charlotte einen brüderlichen Kuß auf die Stirn. Dann ließ er sich
zurücksinken und lächelte. »So soll es also sein«, entschied er ruhig.
»Schicken Sie mir Ihren Captain her,
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