Quade 02 - Goldene Sonne die dich verbrennt
weiß?« sagte sie mit gespieltem
Gleichmut. »Vielleicht verliebe ich mich ja in den Fremden, der heute am Strand
angespült wurde. Das wäre doch romantisch, findest du nicht?«
Patrick stieß einen derben Fluch
aus, stürzte ins Haus und schlug krachend die Tür hinter sich zu.
Als er kurz darauf das Haus verließ,
gefolgt von einem sehr besorgten Mr. Cochran und einer protestierenden Jacoba,
nutzte Charlotte die Gelegenheit, um nach dem Schiffbrüchigen zu sehen.
Der Mann war wachsbleich und stöhnte
so herzzerreißend, daß Charlotte an seine Seite eilte und seine Hand ergriff.
»Susannah«, schrie er urplötzlich
und versuchte sich aufzurichten. »O Gott ... Susannah!«
Charlottes Kehle wurde eng vor
Mitgefühl. »Psst«, mahnte sie leise. »Sie sind hier in Sicherheit. Haben Sie
keine Angst mehr.«
Der Fremde richtete einen verwirrten
Blick auf sie. Seine Augen waren von einem hellen, durchsichtigen Grün. »Sie
ist ertrunken ... ich habe versucht, sie zu retten, tat alles, um ...«
»Psst«, sagte Charlotte noch einmal
und strich ihm das feuchte Haar aus der Stirn. »Natürlich haben Sie alles
getan, was in Ihrer Macht stand. Doch jetzt müssen Sie sich ausruhen.«
Aber der Mann warf den Kopf zurück
und stieß ein langgezogenes heiseres Schluchzen aus, das aus den Tiefen seiner
Seele kam.
Aus Instinkt wußte Charlotte, daß
sie den Mann jetzt nicht seiner Verzweiflung überlassen durfte und packte ihn
hart an den Schultern. »Sagen Sie mir, wie Sie heißen!« befahl sie.
Wieder dieses unheimliche
Schluchzen, das das ganze Ausmaß seiner Trauer und Verzweiflung verriet.
»Sie dürfen jetzt nicht aufgeben!«,
schrie Charlotte den Mann an, während sie sich auf die Matratze kniete und ihre
Daumen in die nur schwach entwickelten Muskeln an seinen Oberarmen preßte. »Es
ist ein Wunder, daß Sie noch am Leben sind, haben Sie gehört? Ein Wunder! Und das
bedeutet, daß Sie noch etwas zu tun haben auf dieser Erde, bevor Sie sich ihr
entziehen können! Verdammt, Mr. — kommen Sie sofort hierher zurück!«
Erstaunlicherweise schienen ihre
Worte zu ihm durchzudringen, er starrte Charlotte an, als kehrte er tatsächlich
von einem weit entfernten Ort zurück. »Wer sind Sie?« fragte er heiser.
Sie lächelte, stieg von der Matratze
und strich ihre Röcke glatt. »Mein Name ist Charlotte Quade-Trevarren«, sagte
sie.
In den nächsten Minuten erfuhr sie,
daß ihr Gast Gideon Rowling hieß und aus England stammte. Er und seine junge
Braut Susannah waren nach Australien unterwegs gewesen, als Piraten ihr Schiff
kaperten. Einigen der Passagiere und Seeleute gelang es, in Rettungsbooten zu
entkommen, unter ihnen auch die Rowlings, doch die meisten wurden ermordet,
bevor die Piraten das Schiff ausraubten und es in Brand steckten.
Während des Sturms waren die
Rettungsboote voneinander getrennt worden, und das kleine Boot, das die
Rowlings sich mit einem alten Mann und zwei Besatzungsmitgliedern teilten, war
gekentert. Als Gideon seine junge Frau zum letztenmal gesehen hatte, hatte sie
ihre Hand nach ihm ausgestreckt und gellend um Hilfe geschrien.
Nachdem Gideon seinen Bericht
beendet hatte, schloß er die Augen und versuchte, wieder einzuschlafen, was
Charlotte ihm nicht verdenken konnte, weil der Schlaf vermutlich erträglicher
als die Wirklichkeit für ihn war.
Neunzehn
»Das Fieber muß dir den Verstand geraubt
haben«, bemerkte Cochran in gewohnter Offenheit zu Patrick, mit dem er am
Geländer der Veranda stand und aufs Meer hinausschaute. »Eine Frau wie
Charlotte findet man höchstens einmal im Leben, und auch nur, wenn das
Schicksal es sehr gut mit einem meint. Und du willst sie wie einen Koffer, der
nicht mehr gebraucht wird, zu ihrem Vater zurückschicken!« Cochran seufzte.
»Wenn Brigham Quade dich dafür nicht wie einen räudigen Hund erschießt, ist er
nicht der Mann, für den ich ihn halte!«
Auch Patrick seufzte, in seinem Fall
jedoch aus purer Ungeduld. Warum wollte niemand begreifen, daß er nur aus Edelmut und Selbstlosigkeit auf Charlotte und das Kind verzichtete? Die
Aufregungen und Gefahren eines Lebens auf See waren einer Frau und einem Kind
nun einmal nicht zuzumuten, und Patrick hätte sein gewohntes Leben nie gegen
die ruhigere, beschaulichere Existenz eines Pflanzers eingetauscht. Er wußte,
daß er damit auf Dauer nicht glücklich geworden wäre.
»Vielleicht wäre es besser, Cochran,
wenn du dich um deine eigenen Angelegenheiten kümmern würdest«, schlug er grimmig
vor.
Sein
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