Quaelend suesse Glut
Menschenkenntnis als ihr verblendeter Sohn.“
„Rafiq!“, sagte seine Mutter tadelnd. „Sei nicht so hart zu der armen Sera. Sie ist längst nicht mehr das unbeschwerte Mädchen, das du von früher kennst.“
„Nein, das glaube ich dir sofort! Nicht nach den glanzvollen und aufregenden Jahren als lebenshungrige Gattin des Botschafters von Qusay!“
Wieder schüttelte sie den Kopf. „Seras Leben ist keineswegs so verlaufen, wie du es dir offenbar ausmalst. Ihre eigenen Eltern starben nicht lange vor Hussein, und sie hatte niemanden mehr, zu dem sie gehen konnte.“
„Und? Soll ich sie jetzt etwa bedauern? Tut mir leid, Mutter, aber ich kann Sera nicht verzeihen, was sie mir angetan hat. Niemals!“
Hinter seinem Rücken hörte er einen erstickten Laut. Und als Rafiq herumfuhr, sah er sie in der offenen Tür stehen. Sera! Sie hielt die Augen gesenkt und klammerte sich an ein Bündel aus seidigem Stoff, der in allen Farben des Regenbogens schimmerte.
„Sheikha Rihana“, sagte sie so leise, dass Rafiq sich anstrengen musste, die gehauchten Worte überhaupt zu verstehen. Und dennoch weckte die sanfte Stimme unwillkommene Erinnerungen, die ihn wie eine heiße Woge überschwemmten. Wie hatte er ihre melodische Stimme geliebt, jetzt rief sie nur ein Gefühl der Bitterkeit in ihm wach. „Ich bringe den Stoff, um den Sie gebeten haben.“
„Danke, Sera. Komm her …“ Bewusst ignorierte sie den Fakt, dass Sera unzweifelhaft sein leidenschaftliches Statement bezüglich ihres Charakters mitgehört hatte. Am liebsten hätte Rafiq seine Mutter bei den Schultern genommen und geschüttelt. Was bezweckte sie mit dieser sinnlosen Taktik?
„Halte den Stoff bitte ins Licht, damit mein Sohn ihn besser sehen und begutachten kann.“ Die Sheikha drehte sich um und maß ihren Sohn mit einem zwingenden Blick. „Du erinnerst dich natürlich an Sera.“ Es war eine Feststellung, die keine Antwort erforderte. Dabei hielt ihr sanfter Blick seinem sengenden gelassen stand, doch die unausgesprochene Warnung in ihrer klaren Stimme war nicht zu überhören.
„Das weißt du doch genau.“
Ebenso, wie Sera sich an mich erinnert, hätte er fast hinzugefügt. Auch wenn sie den Blick immer noch gesenkt hielt, nur um ihn nicht ansehen zu müssen. Rafiq ertappte sich dabei, dass er unbedingt in ihre Augen schauen wollte.
„Sera … es ist ziemlich lange her.“
„Prinz Rafiq“, flüsterte sie tonlos. Als sie langsam den Kopf hob, irrte ihr Blick überall hin, zu seiner Mutter, dem Stoffballen in ihren Händen, auf den Boden … nur, um ihn nicht anschauen zu müssen. Und je länger dieses Manöver andauerte, desto wütender wurde Rafiq.
Verdammt, sie sollte in ansehen!
Seine Mutter mochte von ihm erwarten, dass er sich wie ein Edelmann benahm, doch er wollte, dass Sera erkannte, wie tief seine Verachtung für sie war und dass sie allein die Schuld dafür trug.
Während Rafiq mit seinen Emotionen kämpfte, wagte sich Sera ein Stückchen weiter vorwärts. Ihr Hals war ganz trocken, das Herz klopfte zum Zerspringen. Sie wusste sehr wohl, wie es in dem Mann aussah, der für sie einst die Liebe ihres Lebens gewesen war. Was sollte er auch anderes als Abscheu für sie empfinden können, nachdem er ausgerechnet am Tag ihrer Hochzeit mit Hussein aus der Einsamkeit der Wüste zu ihr zurückgekehrt war?
Sie hatte den Schmerz und die Qual in seinen Augen gesehen und dann erleben müssen, wie sein Blick hart und eiskalt wurde, als er von ihr verlangte, die Hochzeitszeremonie zu stoppen. Und sie sah damals keinen anderen Ausweg, als ihm zu eröffnen, dass sie ihn niemals geheiratet hätte, weil sie ihn nicht liebte. Und nie geliebt hatte.
Ihr war klar, dass Rafiq ihr das nicht so einfach abnehmen würde, und deshalb sorgte Sera dafür, dass er nicht den leisesten Zweifel an ihrer Behauptung hegen konnte. Es war das Schwerste gewesen, was sie in ihrem Leben getan hatte …
In Erinnerung an die schmerzvolle Vergangenheit schloss Sera gequält die Augen. An jenem Tag war etwas in ihr für immer zerbrochen. So, wie ihre Lügen und vorgespielten Emotionen Rafiqs Liebe zu ihr für immer töteten.
Deshalb hatte sie nicht mit dem Schmerz gerechnet, der sie anfiel wie ein wildes Tier, als sie ins Zimmer kam und mit anhören musste, dass Rafiq nur noch Hass für sie empfand und ihr niemals vergeben würde. Und dafür konnte sie sich nur allein die Schuld geben.
Seras Hände bebten, als sie nähertrat und den Stoff mit zitternden Fingern
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