Qual (German Edition)
George war tot, und er, Blaze, hatte das Baby ganz allein zurückgelassen.
Die Wiege schaukelte unter der Wucht seiner Wut, und als Blaze Joe erreichte, sah er auch, warum. Der Kleine hatte den größten Teil seines Zehn-Uhr-Fläschchens wieder ausgespuckt, und saure, stinkende Milch, halb eingetrocknet, war über sein Gesicht verteilt und in das Oberteil seines Schlafanzugs gesickert. Sein Gesicht hatte eine schreckliche pflaumenblaue Farbe. Dicke Schweißperlen standen auf seiner Stirn.
Für einen Augenblick hatte Blaze das Bild seines eigenen Vaters vor Augen, ein massiger Riese mit roten Augen und großen gewalttätigen Händen. Dieses Bild hinterließ in ihm ein qualvolles Gefühl von Schuld und Entsetzen; er hatte seit Jahren nicht mehr an seinen Vater gedacht.
Er riss das Baby mit einem solch kraftvollen Ruck aus der Wiege, dass Joes Kopf in den Nacken geschleudert wurde. Neben allen möglichen anderen Gründen war es sicher auch die Überraschung, die ihn abrupt mit dem Weinen aufhören ließ.
»So«, gurrte Blaze und begann mit dem Baby an seiner Schulter im Raum auf und ab zu gehen. »Na, na, na! Ich bin ja wieder da. Ich bin zurück. Na, na. Nicht mehr weinen. Ich bin doch hier bei dir. Ich bin hier.«
Das Baby schlief ein, bevor Blaze drei Runden durchs Zimmer gedreht hatte. Blaze zog ihn um, wechselte die Windel in Höchstgeschwindigkeit, packte ihn wieder ein und legte ihn zurück in die Wiege.
Dann setzte er sich, um nachzudenken. Um diesmal wirklich richtig richtig nachzudenken. Was kam als Nächstes? Eine Lösegeldforderung, richtig?
»Richtig«, sagte er.
Kleb’s mit aus Zeitungen ausgeschnippelten Buchstaben zusammen, so machen sie es immer in den Filmen. Er holte einen Stapel Zeitungen, Magazine mit nackten Mädchen und Comics. Dann fing er an, Buchstaben auszuschneiden.
ICH HABE DAS BABY.
So. Das war ja schon mal ein guter Anfang. Er ging zum Fenster hinüber, schaltete das Radio ein und erwischte Ferlin Husky, der gerade »Wings of a Dove« sang. Das war ein guter Song. Oldie, aber Goldie. Er kramte herum, bis er einen Block Papier fand, den George bei Renny’s gekauft hatte, und rührte dann eine Mehl-und-Wasser-Pampe zum Kleben an. Er summte zur Musik, während er vor sich hin arbeitete. Es war ein eingerostetes, quietschendes Geräusch wie bei einem alten Tor, das auf defekten Scharnieren schwingt.
Er kehrte an den Tisch zurück und klebte die Buchstaben auf, die er bislang hatte. Ein Gedanke kam ihm: Nahm Papier Fingerabdrücke an? Er wusste es nicht, aber sehr wahrscheinlich kam’s ihm irgendwie nicht vor. Trotzdem lieber kein Risiko eingehen. Er knüllte das Papier mit den aufgeklebten Buchstaben zusammen und suchte Georges Lederhandschuhe. Sie waren ihm zu klein, aber er zwängte seine Finger trotzdem hinein. Dann suchte er die gleichen Buchstaben wie vorher noch mal zusammen und klebte sie auf:
ICH HABE DAS BABY.
Die Nachrichten fingen an. Er lauschte aufmerksam und hörte, dass jemand bei den Gerards angerufen und zweitausend Dollar Lösegeld gefordert hatte. Blaze runzelte die Stirn. Dann sagte der Nachrichtensprecher, ein Jugendlicher habe den Anruf aus einer Telefonzelle in Windham
gemacht. Die Polizei habe den Anruf zurückverfolgt. Als sie ihn erwischten, sagte er, er hätte nur einen Streich spielen wollen.
Du kannst denen die ganze Nacht erzählen, dass es nur ein Streich war, Jungchen, und sie werden dich trotzdem einsperren, dachte Blaze. Kidnapping ist eine heiße Kiste.
Er runzelte die Stirn, dachte nach, schnitt weitere Buchstaben aus. Der Wetterbericht kam. Sonnig und ein bisschen kälter. Mehr Schnee zu erwarten.
ICH HABE DAS BABY. WENN IHR IHN LEBEND WIEDERSEHEN WOLLT
Wenn ihr ihn lebend wiedersehen wollt, was dann? Was dann? Verwirrung machte sich in Blazes Kopf breit. Ruf gebührenfrei an, alle Leitungen sind frei? Mach einen Kopfstand und träum ein bisschen? Schicke zwei Deckel und fünfzig Cent in Münzen? Wir stellte man es an, die Kohle zu bekommen, ohne dabei erwischt zu werden?
»George? An diesen Teil erinnere ich mich nicht. Wie war das noch mal?«
Keine Antwort.
Er stützte das Kinn in eine Hand und setzte sich mal so richtig die Denkmütze auf. Er musste ganz cool bleiben. So cool wie George. So cool wie John Cheltzman an diesem Tag im Busbahnhof, als sie nach Boston abgehauen waren. Du musst die alte Nuss einsetzen. Du musst die alte Rübe benutzen, die gute alte Denkbirne.
Er würde so tun müssen, als wäre er nur einer von einer
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