Qual (German Edition)
ganzen Bande, das war mal ganz klar. Dann konnten sie ihn nicht einfach schnappen, wenn er die Beute abholte. Falls sie es doch taten, würde er ihnen sagen, sie müssten ihn sofort
wieder laufen lassen, denn andernfalls würden seine Komplizen den Jungen umlegen. Zieh einen irren Bluff ab. Scheiße, Mann, zieh ’ne richtige Verlade durch.
»So werden wir’s machen«, flüsterte er. »Stimmt’s, George?«
Er knüllte seinen zweiten Versuch zusammen und suchte weitere Buchstaben, schnitt sie dann mit der Schere in saubere, gleich große Vierecke.
UNSERE GANG HAT DAS BABY. WENN IHR IHN LEBEND WIEDERSEHEN WOLLT
Das war gut. Mann, das traf doch voll auf die Zwölf. Blaze bewunderte die Worte eine Weile, dann ging er nach dem Baby sehen. Das Baby schlief. Es hatte den Kopf zur Seite gedreht und eine kleine Faust unter die Wange geschoben. Seine Wimpern waren sehr lang und viel dunkler als seine Haare. Blaze mochte ihn. Er hätte niemals gedacht, dass ein kleiner Hosenscheißer wie der hier so hübsch aussehen könnte, aber der Junge hier war richtig nett.
»Du bist ein Hengst, Joey«, sagte er und strich dem Baby über den flaumig behaarten Kopf, der in seiner riesigen Hand zu verschwinden schien.
Blaze kehrte zu den über den Tisch verteilten Magazinen und Zeitungen und Zetteln zurück. Er dachte eine Zeit lang nach, naschte dabei ein bisschen von seinem Mehl-Wasser-Brei. Dann machte er sich wieder an die Arbeit.
UNSERE GANG HAT DAS BABY. WENN IHR IHN LEBEND WIEDERSEHEN WOLLT BESORGT $$ 1 MILLION $$ IN UNGEKENZEICHNETEN SCHEINEN. DAS GELD IN AKTENTASCHE PAKEN. HALTET EUCH BEREIT KURZ-FRIESTIG LOSZUFAHRN. HOCHACHTVOLL,
DIE KIDNAPPER VON JOE GERARD 4.
Das war gut. Es sagte ihnen ein paar Sachen, aber auch wieder nicht zu viel. Und es würde ihm etwas Luft verschaffen, sich noch einen richtig guten Plan auszudenken.
Er fand einen schmutzigen alten Briefumschlag und steckte seinen Brief hinein, dann schnitt er Buchstaben für die Vorderseite aus:
AN DIE GERARDS OCOMA WICHTIG!
Er wusste nicht so ganz genau, wie er das abschicken sollte. Er wollte das Baby nicht wieder mit George allein lassen, und er traute sich auch nicht, den heißen Ford noch mal zu benutzen, aber er wollte es auch nicht in Apex aufgeben. Alles wäre erheblich einfacher gewesen, wenn George da wäre. Er hätte einfach zu Hause bleiben und babysitten können, während George sich um den ganzen Hirnscheiß kümmerte. Er hätte kein Problem damit, Joe zu füttern und seine Windeln zu wechseln und all diese Sachen. Es hätte ihm gleich überhaupt nichts ausgemacht. Irgendwie gefiel’s ihm ja sogar richtig.
Egal. Die Post würde vor morgen früh sowieso nicht rausgehen, also hatte er Zeit, sich einen Plan auszutüfteln. Oder sich an den von George zu erinnern.
Er stand auf und sah wieder nach dem Baby, wünschte sich, der Fernseher wäre nicht kaputt. Manchmal brachte einen der Fernseher so richtig auf Ideen. Joe schlief immer noch. Blaze wünschte sich, er würde jetzt mal aufwachen, damit er mit ihm spielen konnte. Ihn zum Grinsen bringen
konnte. Der Kleine sah wie ein richtiger Junge aus, wenn er grinste. Und angezogen war er jetzt auch, also konnte Blaze mit ihm rumblödeln, ohne Angst haben zu müssen, wieder angepisst zu werden.
Aber er schlief – und daran ließ sich jetzt auch nichts ändern. Blaze schaltete das Radio aus und ging ins Schlafzimmer, um Pläne zu schmieden, doch stattdessen schlief er ein.
Bevor er wegdriftete, kam ihm so in den Sinn, dass er sich richtig gut fühlte. Zum ersten Mal seit George gestorben war, fühlte er sich wirklich richtig gut.
14
ER WAR AUF EINEM VOLKSFEST – vielleicht war es die Topsham Fair, wohin die Jungs aus dem Hetton House einmal im Jahr mit dem klapprigen alten blauen Bus fahren durften – und er hatte Joe auf dem Arm. Er hatte panische Angst, als er den Mittelweg mit den Hauptattraktionen des Jahrmarkts hinunterging, denn schon ziemlich bald würden sie ihn entdecken, und dann war es aus. Joe war wach. Als sie an einem der Zerrspiegel vorbeikamen, die einen in die Länge zogen und dünn machten, bemerkte Blaze, dass der Junge alles mit Riesenaugen anstarrte. Blaze ging weiter, verlagerte Joe von einem Arm zum anderen, als er zu schwer wurde, und hielt gleichzeitig die Augen nach den Bullen auf.
Um ihn herum pulsierte der Jahrmarkt in ungesunder Neon-Majestät. Von rechts kam der elektronisch verstärkte Beat eines Marktschreiers: »Hier herüber, alle mal herkommen, sechs
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