Qual (German Edition)
verkaufen wir hier. Ein Bettchen, eine Wiege, einen Wickeltisch, Kleidung … alles eben. Er hat sogar ein einzelnes Gedeck gekauft. «
»Haben Sie eine vollständige Liste?«, fragte Granger.
»Natürlich. Ich habe ja keine Sekunde vermutet, dass er etwas Schreckliches im Sinn hatte. Eigentlich schien er ein ganz netter Mann zu sein, trotz dieser eingedrückten Stelle auf seiner Stirn … diesem Loch …«
Granger nickte verständnisvoll.
»Und sonderlich intelligent kam er mir nicht vor. Allerdings anscheinend intelligent genug, um mir was vorzumachen. Er sagte, er kaufe all diese Dinge für einen kleinen Neffen, und die verrückte Nancy hat ihm geglaubt.«
»Und er war groß.«
»Meine Güte, ein Riese! Es war, als wäre man in Gesellschaft eines … eines …« Sie stieß ein nervöses Kichern hervor. »Na ja, er war wie ein Bulle in einem Babyladen!«
»Wie groß?«
Sie zuckte die Achseln. »Ich bin eins zweiundsechzig, und ich hab nur bis an seine Rippen gereicht. Damit dürfte er also …«
»Wahrscheinlich werden Sie das jetzt nicht glauben«, sagte der Lagergehilfe, »aber ich dachte, also, der muss mindestens
so an die zwei Meter groß sein. Vielleicht sogar noch größer.«
Sterling bereitete sich auf seine letzte Frage vor. Er hatte sie sich bis zum Schluss aufgehoben, weil er nahezu sicher war, dass sie in eine Sackgasse führte.
»Mrs. Moldow, wie hat dieser Mann seine Einkäufe bezahlt? «
»Bar«, antwortete sie prompt.
»Ich verstehe.« Er sah Granger an. Es war die Antwort, die sie erwartet hatten.
»Sie hätten all das viele Geld sehen müssen, das er in seiner Brieftasche hatte!«
»Das meiste hat er ausgegeben«, sagte Brant. »Er hat mir einen Fünfer Trinkgeld gegeben, aber zu dem Zeitpunkt war bei dem schon Ebbe in der Kasse.«
Sterling beachtete diese Bemerkung nicht weiter. »Und weil es ein Barverkauf war, haben Sie auch keinen Beleg, aus dem der Name des Mannes hervorgeht.«
»Nein. Kein Beleg. Und auch keine Videoaufzeichnung. Ich nehme an, in ein paar Jahren werden wir hier auch Überwachungskameras haben …«
»Eher in ein paar Jahrhunderten«, sagte Brant, der Lagergehilfe. »In diesem Laden hier ist die Hauptsache billig-billig. «
»Tja, dann«, sagte Sterling und klappte sein Notizbuch zu, »sind wir jetzt wieder unterwegs. Ich möchte Ihnen meine Karte dalassen, falls Ihnen noch irgendw…«
»Zufälligerweise kenne ich aber seinen Namen«, sagte Nancy Moldow.
Die beiden Männer drehten sich zu ihr um.
»Als er seine Brieftasche aufgemacht hat, um dieses dicke Bündel Geld herauszunehmen, da habe ich seinen Führerschein gesehen. Zum Teil habe ich mir den Namen sicherlich gemerkt, weil so einen Kunden, der alles kauft, den hat man einmal im Leben, hauptsächlich aber, weil es so ein … ein würdevoller Name war. Schien irgendwie gar nicht zu ihm zu passen. Ich erinnere mich, dass ich dachte, ein Mann wie er müsste eigentlich Barney oder Fred heißen. Sie wissen schon, wie bei Familie Feuerstein .«
»Wie lautete der Name?«, fragte Sterling.
»Clayton Blaisdell. Also, ganz genau genommen, war es Clayton Blaisdell junior .«
Um halb sechs an diesem Abend hatten sie ihren Mann identifiziert. Clayton Blaisdell jr. alias Blaze war zweimal eingelocht worden, einmal wegen Körperverletzung am Leiter des staatlichen Heimes, in dem der Junge lebte – eine Einrichtung namens Hetton House –, und dann noch einmal Jahre später wegen Bauernfängerei und Betrug. Ein mutmaßlicher Komplize, George Thomas Rackley alias Rasp, war freigekommen, weil Blaze nicht gegen ihn aussagen wollte.
Laut Polizeiakten waren Blaisdell und Rackley schon mindestens seit acht Jahren ein Team, bevor Blaisdell wegen Betrugs drangekriegt wurde, wobei es um eine krumme Tour mit religiösem Hintergrund gegangen war, die allerdings einen Tick zu komplex war für die beschränkten geistigen Talente des großen Jungen. In der South Portland Correctional hatte er einen IQ-Test gemacht und dabei so wenig Punkte geholt, dass er in einer Kategorie mit der Bezeichnung »schwere Lernbehinderung« gelandet war. An den Rand
hatte jemand in großen roten Buchstaben geschrieben: RE-TARDIERT.
Die Einzelheiten ihrer Schwindelei fand Sterling recht amüsant. Die Nummer ging so: Es gab einen großen Mann im Rollstuhl (Blaisdell) und einen kleinen Burschen, der ihn schob und sich potenziellen Opfern als Reverend Gary Crowell (fast mit Sicherheit Rackley) vorstellte. Reverend Gary (wie er sich selbst
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