Qual (German Edition)
nannte) behauptete, Geld für eine Tour der Erweckungsbewegung durch Japan zu sammeln. Falls es sich als schwierig erwies, die Opfer – meistenteils alte Damen, die sich ein kleines Sümmchen auf der Bank zurückgelegt hatten – zu überzeugen, vollbrachte Reverend Gary ein Wunder: Er brachte den großen Kerl im Rollstuhl dazu, wieder zu gehen, und das allein dank der Macht und Kraft Jesu.
Die Umstände der Verhaftung waren noch amüsanter. Eine Achtzigjährige namens Arlene Merrill wurde misstrauisch und verständigte die Polizei, während Reverend Gary und sein »Assistent« sich im Wohnzimmer befanden. Dann kehrte sie ins Wohnzimmer zurück, um mit ihnen zu plaudern, bis die Polizei eintraf.
Reverend Gary roch den Braten und machte einen Abgang. Blaisdell blieb. In seinem Bericht schrieb der Beamte, der ihn festgenommen hatte: »Der Verdächtige sagte aus, er sei nicht geflüchtet, weil er noch nicht geheilt worden sei.«
Sterling dachte über all das nach und gelangte zu dem Schluss, dass es doch zwei Kidnapper geben musste. Mindestens zwei. Rackley musste bei der Sache mitmischen, denn ein Bursche, der so blöd war wie Blaisdell, hatte diese Sache ganz sicher nicht allein durchgezogen.
Er nahm den Hörer ab, telefonierte. Wenige Minuten später erhielt er einen Rückruf, der ihn überraschte. George Thomas »Rasp« Rackley war seit vergangenem Jahr tot. Er war erstochen im Hafengebiet von Portland gefunden worden, in einer Gegend, in der illegale Würfelspiele stattfanden.
Scheiße. Dann jemand anders?
Jemand, der den großen Trottel ans Händchen nahm, so wie Rackley es ohne Zweifel getan hatte?
Musste doch so sein, oder nicht?
Um sieben Uhr an diesem Abend war die landesweite Fahndung nach Clayton Blaisdell jr. draußen.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Jerry Green aus Gorham entdeckt, dass sein Mustang gestohlen worden war. Etwa vierzig Minuten später stand der Wagen bei der State Police auf der Liste gestohlener Fahrzeuge.
Etwa zur gleichen Zeit gab das Westbrook Police Department Sterling die Nummer einer Frau namens Georgia Kingsbury durch. Mrs. Kingsbury hatte die Abendzeitung gelesen, als ihr Sohn ihr über die Schulter schaute, auf die Polizeizeichnung zeigte und fragte: »Warum ist der Mann aus dem Waschsalon in der Zeitung? Und wieso sieht man da das Loch in seinem Kopf gar nicht?«
Mrs. Kingsbury sagte zu Sterling: »Ich hab nur einmal kurz hingesehen und dann sofort gesagt, o mein Gott.«
Um zwanzig Minuten vor acht trafen Sterling und Granger vor dem Haus der Kingsburys ein. Sie zeigten Mutter und Sohn eine Kopie des Polizeifotos von Clayton Blaisdell jr. Der Abzug war verschwommen, aber die Kingsburys identifizierten ihn dennoch umgehend und eindeutig. Sterling vermutete, dass man Blaisdell nicht mehr vergaß, wenn man
ihn einmal gesehen hatte. Dieser Klotz war der letzte Mensch, dem Norma Gerard in dem Haus in die Augen schaute, in dem sie ihr ganzes Leben verbracht hatte. Die Vorstellung machte Sterling ganz krank vor Wut.
»Er hat mich angelächelt«, sagte der Kingsbury-Junge.
»Das ist aber nett, mein Sohn«, sagte Sterling und zerzauste dem Jungen das Haar.
Der Junge schreckte zurück. »Ihre Hand ist so kalt«, sagte er.
Im Wagen sagte Granger: »Findest du es nicht auch komisch, dass der Boss so einen Burschen losschickt, um für den Kleinen einzukaufen? Einen Kerl, an den man sich so leicht erinnern kann?«
Als Sterling darüber nachdachte, fand er es auch etwas merkwürdig, aber Blaisdells Trip ins Baby-Paradies deutete noch auf etwas anderes hin. Und weil er ein Optimist war, zog er es vor, sich auf die positiven Aspekte zu konzentrieren. Dieser ganze Babykram bedeutete doch wahrscheinlich, dass sie beabsichtigten, das Kind am Leben zu lassen, zumindest vorläufig.
Granger starrte ihn immer noch an, wartete auf eine Antwort.
Also sagte Sterling: »Wer weiß schon, warum diese Dumpfbacken überhaupt irgendwas tun? Komm, fahren wir.«
Die durchgängig positive Identifizierung von Blaisdell als einem der Kidnapper ging um 20 Uhr 05 an sämtliche Polizeidienststellen auf Staats- und kommunaler Ebene. Um 20 Uhr 20 erhielt Sterling einen Anruf von State Trooper Paul Hanscom, Kaserne Portland. Hanscom berichtete, dass ein 1970er
Mustang vom Parkplatz desselben Einkaufszentrums gestohlen worden war, in dem Georgia Kingsbury Blaisdell gesehen hatte, und noch dazu etwa zur gleichen Zeit. Er wollte wissen, ob das FBI diese Information der Fahndung beifügen wollte. Sterling
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