Qual (German Edition)
sagte, das FBI würde das sehr gerne tun.
Jetzt entschied Sterling, dass er die Antwort auf Agent Grangers Frage kannte. War doch ganz einfach. Das Gehirn der ganzen Operation war intelligenter als Blaisdell – intelligent genug, sich im Hintergrund zu halten, immer mit der zusätzlichen Ausrede, jemand müsse sich ja schließlich um das Baby kümmern –, aber auch wieder nicht so intelligent.
Und jetzt hieß es wirklich nur noch abwarten, dass sich das Netz zuzog. Und hoffen …
Doch Albert Sterling gelangte zu der Entscheidung, dass er mehr tun konnte, als nur zu hoffen. Um 22 Uhr 15 an diesem Abend ging er den Korridor hinunter zur Herrentoilette und kontrollierte alle WCs und Pissoirs. Die Räume waren leer. Was ihn nicht weiter überraschte. Es war nur ein kleines Büro, eigentlich wirklich nur ein provinzieller Pickel auf dem Arsch des FBI. Außerdem wurde es langsam spät.
Er ging in eine der Kabinen, ließ sich auf die Knie nieder und faltete die Hände, genau wie er es als Kind auch immer getan hatte. »Lieber Gott, hier ist Albert. Wenn das Baby noch lebt, dann pass bitte gut auf den Kleinen auf, hörst du? Und wenn ich dem Mann nahe komme, der Norma Gerard umgebracht hat, dann lass ihn doch bitte etwas tun, was mir einen Grund gibt, den Mistkerl umzulegen. Vielen Dank, lieber Gott. Ich bete im Namen Deines Sohnes, Jesus Christus.«
Und da die Herrentoilette immer noch leer war, schickte er sicherheitshalber noch ein Ave Maria hinterher.
17
DAS BABY WECKTE IHN um Viertel vor vier morgens, und es ließ sich nicht durch ein Fläschchen trösten. Als das Weinen andauerte, bekam Blaze ein wenig Angst. Er legte Joe eine Hand auf die Stirn. Die Haut fühlte sich kühl an, doch die Schreie, die er ausstieß, waren in ihrer Intensität furchterregend. Blaze war in Sorge, dass womöglich noch ein Blutgefäß platzte oder so etwas.
Er legte Joe auf den Wickeltisch. Er zog ihm die Windel aus und stellte fest, dass es auch hier kein Problem gab. Sie war ein bisschen feucht, das war aber auch schon alles. Blaze cremte den Po des Jungen ein und zog ihm eine frische Pampers an. Das Schreien ging weiter. Allmählich ging Blazes Sorge in Verzweiflung über.
Blaze wuchtete den kreischenden Säugling auf seine Schulter und ging mit ihm in großen Kreisen in der Küche auf und ab. » Hushabye, Baby«, raunte er. »A-alles in Ordnung. A-alles gut. Ich pass auf dich auf. Schlaf ein. Hushabye-hushaboo, zippity-doo. Psch-sch, Baby, psch-sch. Sonst weckst du noch einen Bären auf, der im Schnee schläft, und der wird uns dann auffressen. Psch-schschsch.«
Vielleicht war es das Herumgehen. Vielleicht war es der Klang von Blazes Stimme. Jedenfalls wurden Joes Schreie immer kürzer. Dann hörten sie ganz auf. Noch ein paar weitere Runden in der Küche, und der Kopf des Babys sackte gegen
Blazes Hals. Seine Atemzüge gingen in den langen, langsamen Rhythmus des Schlafs über.
Vorsichtig legte Blaze ihn in die Wiege und schaukelte ihn sanft. Joe bewegte sich leicht, wachte aber nicht auf. Eine kleine Hand fand ihren Weg in seinen Mund, und er begann heftig auf ihr herumzukauen. Blaze fühlte sich wieder etwas besser. Vielleicht war doch alles in bester Ordnung. In dem Buch stand, dass sie schon mal so auf ihren Händen herumkauten, wenn sie zahnten oder hungrig waren, und er war sich ziemlich sicher, dass Joe keinen Hunger hatte.
Er schaute zu dem Baby hinab und dachte, viel klarer diesmal, dass Joe irgendwie nett war. Niedlich. Das sah jeder. Es wäre sicher interessant, sein Heranwachsen durch all die Phasen mitverfolgen zu können, von denen dieser Doktor in dem Buch schrieb. Joe war jetzt ungefähr an dem Punkt, wo das mit dem Krabbeln anfing. Mehrere Male schon, seit Blaze ihn in die Hütte gebracht hatte, war der kleine Scheißer bereits auf Händen und Knien gewesen. Dann würde er anfangen zu laufen … und aus seinem Gebrabbel würden die ersten Worte entstehen und … dann … dann …
Dann würde er jemanden haben .
Dieser Gedanke brachte ihn durcheinander. Blaze konnte nicht mehr schlafen. Er stand auf und schaltete das Radio ein, drehte die Lautstärke herunter. Er durchsuchte das Gequassel vor Sonnenaufgang auf tausend konkurrierenden Sendern, bis er schließlich das starke Signal von WLOB hereinbekam.
Die Vier-Uhr-Nachrichten brachten nichts Neues über die Entführung. Das kam ihm auch irgendwie richtig vor; die Gerards würden den Brief erst irgendwann im Tagesverlauf
bekommen. Vielleicht sogar erst
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