Qual (German Edition)
Entführungsfall. Es gab »einen Durchbruch in den Ermittlungen«, wie Angehörige der Strafverfolgungsbehörden es gerne nennen. Aber selbst vor dem Anruf, der beim FBI unter der an diesem Tag in der Story über die Entführung genannten Nummer einging, war die Identifizierung eigentlich nur noch eine Frage der Zeit gewesen.
Die Polizei besaß eine Fülle von Informationen. Da war einmal die Beschreibung, die Morton Walsh gegeben hatte (der von seinen Bostoner Arbeitgebern an die frische Luft gesetzt werden würde, sobald die ganze Aufregung sich gelegt hatte). Dann waren da eine ganze Reihe blauer Fäden, die an dem Maschendrahtzaun um den Besucherparkplatz des Oakwood sichergestellt und als von D-Boy-Jeans, einer Discount-Marke, stammend identifiziert worden waren. Es gab Fotos und Gipsabdrücke von Profilsohlen mit unverwechselbarem Abnutzungsmuster. Es gab eine Blutprobe, Gruppe AB, Rhesus negativ. Es gab Fotos und Abdrücke der Füße einer ausziehbaren Leiter, inzwischen als Craftwork Lightweight Supreme identifiziert. Es gab Fotos von Stiefelabdrücken
im Inneren des Hauses mit dem gleichen unverwechselbaren Abnutzungsmuster. Und es gab die Erklärung von Norma Gerard auf dem Sterbebett, welche der Skizze des Polizeizeichners eine ausreichende Ähnlichkeit mit dem Mann bescheinigte, der sie angegriffen und niedergeschlagen hatte.
Bevor sie ins Koma fiel, hatte sie noch ein Detail hinzugefügt, das Walsh ausgelassen hatte: Der Mann hatte eine tiefe Delle in der Stirn, gerade so, als sei er dort einmal mit einem Ziegelstein oder einem Stück Rohr geschlagen worden.
Nur sehr wenig von all diesen Informationen war an die Presse gegeben worden.
Abgesehen von der Delle in der Stirn waren die Ermittlungsbeamten besonders an zwei Fakten interessiert. Erstens, D-Boy-Jeans wurden nur in ein paar Dutzend Verkaufsstellen im Norden von Neuengland verkauft. Zweitens, und noch besser, Craftwork Ladders war eine kleine Vermonter Firma, die ausschließlich unabhängige Haushalts- und Eisenwarengeschäfte belieferte. Keine großen Märkte. Eine kleine Armee von Beamten begann, diese unabhängigen Händler aufzusuchen. Bis zum Apex Home Hardware (»Da, wo man Ihnen weiterhilft!«) waren sie noch nicht gekommen an dem Tag, an dem Blaze seinen Brief aufgab, aber es war nur noch eine Frage von Stunden, bis es so weit war.
Im Haus der Gerards waren Geräte installiert worden, mit deren Hilfe sich Telefonanrufe zurückverfolgen ließen. Der Vater von Joseph Gerard IV. war sorgfältig instruiert worden, wie er sich bei dem irgendwann zwangsläufig eingehenden Anruf verhalten sollte. Joes Mutter war oben, vollgestopft mit Beruhigungsmitteln.
Keiner der Gesetzeshüter hatte den ausdrücklichen Befehl, den oder die Kidnapper lebend zu fassen. Experten der Spurensicherung gingen davon aus, dass einer der Männer, hinter denen sie her waren (vielleicht auch der einzige Mann), mindestens eins dreiundneunzig groß war und irgendwas um die hundert Kilo auf die Waage bringen musste. Der gebrochene Schädel von Norma Gerard war ein eindeutiger Beleg, falls überhaupt benötigt, für seine Stärke und Brutalität.
Und dann, um 16 Uhr 30 an diesem grauen Tag, erhielt Special Agent Albert Sterling einen Anruf von Nancy Moldow.
Sobald Sterling und sein Partner, Bruce Granger, das Baby-Paradies betraten, sagte Nancy Moldow: »Irgendwas stimmt mit Ihrem Bild nicht. Der Mann, den Sie suchen, der hat mitten auf der Stirn ein großes Loch.«
»Ja, Ma’am«, sagte Sterling. »Das halten wir noch zurück. «
Ihre Augen wurden rund. »Damit er nicht weiß, dass Sie es wissen.«
»Ganz genau.«
Sie deutete auf den jungen Burschen, der direkt neben ihr stand. Er trug einen blauen Nylonkittel, eine rote Fliege und einen freudig erregten Gesichtsausdruck. »Das hier ist Brant. Er hat diesem … diesem … ihm geholfen, seine Einkäufe zum Wagen zu bringen.«
»Vollständiger Name?«, fragte Agent Granger den Jungen mit dem blauen Kittel. Er schlug sein Notizbuch auf.
Der Adamsapfel des Lagergehilfen hüpfte auf und ab wie ein Pingpongball. »Brant Romano, Sir. Dieser Kerl hat einen
Ford gefahren.« Er nannte das Baujahr, wie Sterling fand, mit einem hohen Grad an Sicherheit. »Allerdings war der nicht blau, wie’s in der Zeitung steht. Er war grün.«
Sterling wandte sich an Moldow. »Was hat dieser Mann gekauft, Ma’am?«
Sie lachte tatsächlich ein wenig. »Meine Güte, was hat er nicht gekauft. Natürlich alles Babysachen, denn das
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