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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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ist.«
    »Durch negative Auslese.«
    »Ja, ich glaube auch, daß es Quatsch ist.«
    Ihre Miene zeigte für einen kurzen Moment sarkastische Belustigung. »Laß die Scherze. Es ist eine brandneue Geisteskrankheit. Möglicherweise ansteckend. Möglicherweise durch ein freigesetztes militärisches Pathogen verursacht…«
    »Möglicherweise von einem Kometen auf die Erde gebracht. Möglicherweise eine Strafaktion Gottes. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viele Dinge möglich sind, nicht wahr?«
    Sie zuckte die Achseln. »Was auch immer die Ursache ist, sie breitet sich jedenfalls aus. Inzwischen ist sie überall außer in der Antarktis aufgetreten. Das ist ein Schlagzeilenthema – wenn nicht mehr. Auf der Redaktionssitzung gestern abend wurde entschieden: Wir geben ein dreißigminütiges Special über Qual in Auftrag. Die Topstory mit großer Werbekampagne und weltweiter, synchroner Ausstrahlung zur Hauptsendezeit.«
    Synchron bedeutete nicht das, was es normalerweise im Netjargon bedeutete, sondern die Ausstrahlung zum gleichen Kalenderdatum und zur gleichen Lokalzeit für alle Zuschauer. »Weltweit? Du meinst die anglophone Welt?«
    »Ich meine die weltweite Welt. Wir arrangieren gerade den Weiterverkauf an alle anderssprachigen Networks.«
    »Nun ja… gut.«
    Lydia lächelte mit ungeduldig zusammengekniffenen Lippen. »Tu nicht so bescheiden, Andrew. Muß ich es dir noch einmal buchstabieren? Wir wollen, daß du den Bericht machst. Du bist unser Biotechnik-Spezialist, du bist die logische Wahl. Und du wirst hervorragende Arbeit abliefern. Also…?«
    Ich legte eine Hand an die Stirn und versuchte mir klarzuwerden, warum ich mich plötzlich so klaustrophobisch fühlte. »Bis wann muß ich mich entscheiden?« fragte ich.
    Sie lächelte noch breiter, was bedeutete, daß sie entweder irritiert oder verärgert war – oder beides. »Wir senden am vierundzwanzigsten Mai – das ist Montag in zehn Wochen. Du wirst mit der Vorbereitung des Berichts beginnen, sobald du Gepanschtes DNS abgeschlossen hast. Also brauchen wir deine Antwort so schnell wie möglich.«
    Regel Nummer vier: Diskutiere vorher alles mit Gina. Auch wenn sie niemals zugeben würde, beleidigt zu sein, wenn du es nicht tust.
    »Morgen abend«, sagte ich.
    Lydia war nicht glücklich, doch sie sagte: »In Ordnung.«
    Ich wappnete mich. »Und wenn ich nein sage, läuft dann noch irgend etwas anderes?«
    Jetzt wirkte Lydia unverhohlen verblüfft. »Was ist los mit dir? Weltweite Ausstrahlung zur Hauptsendezeit! Mit dieser Sache machst zu fünfmal soviel wie mit Jenseits der Geschlechtskategorien.«
    »Dessen bin ich mir bewußt. Und ich bin sehr dankbar für dieses Angebot, das kannst du mir glauben. Ich möchte nur wissen… ob ich eine Wahl habe.«
    »Du könntest jederzeit losziehen und am Strand mit einem Metalldetektor nach Münzen suchen.« Als sie mein Gesicht sah, wurde sie besänftigt. Ein wenig. »Es gibt ein weiteres Projekt, das kurz vor dem Start steht. Allerdings habe ich es schon fast Sarah Knight versprochen.«
    »Erzähl mir darüber.«
    »Schon mal was von Violet Mosala gehört?«
    »Natürlich. Sie ist… Physikerin? Eine Physikerin aus Südafrika, nicht wahr?«
    »Zwei Volltreffer, sehr beeindruckend. Sarah ist ein großer Fan von ihr, sie hat deswegen fast eine Stunde lang auf mich eingeredet.«
    »Und worum geht es?«
    »Wir wollen ein Porträt über Mosala machen. Sie ist siebenundzwanzig und hat vor zwei Jahren den Nobelpreis erhalten, aber das weißt du bestimmt längst. Wir wollen Interviews, Szenen aus ihrem Leben, Lobhudeleien von Kollegen und den ganzen Sermon. Ihre Arbeit ist ausschließlich theoretisch, also gibt es außer Computersimulationen nicht viel zu zeigen. Sie hat uns bereits ihre eigenen Graphiken angeboten. Doch das Herzstück des Berichts soll die Einstein-Jahrhundertkonferenz sein…«
    »Hätte die nicht schon in den 1970ern stattfinden müssen?« Lydia bedachte mich mit einem vernichtenden Blick. »Ach ja«, sagte ich. »Zu seinem hundertsten Todestag. Reizend.«
    »Mosala nimmt an der Konferenz teil. Und am letzten Tag sollen drei der führenden theoretischen Physiker der Welt ihre rivalisierenden Versionen der Theorie für Alles vorstellen. Und du darfst nicht dreimal raten, wer als Alpha-Favorit gilt.«
    Ich knirschte mit den Zähnen und unterdrückte den Drang, ihr zu erwidern: Das ist kein Pferderennen, Lydia. Es könnte leicht noch fünfzig Jahre dauern, bevor irgend jemand entscheiden kann, wessen

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