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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Theorie für Alles richtig war.
    »Und wann ist diese Konferenz?«
    »Vom fünften bis zum achtzehnten April.«
    Ich erbleichte. »Montag in drei Wochen!«
    Lydia wirkte zunächst nachdenklich, dann zufrieden. »Du hast eigentlich gar keine Zeit dafür, nicht wahr? Sarah hat sich seit Monaten darauf vorbereitet…«
    Ich erwiderte gereizt: »Vor fünf Sekunden hast du davon gesprochen, daß ich in weniger als drei Wochen mit der Vorbereitung von Qual beginnen soll.«
    »Damit könntest du ohne Verzögerung anfangen. Wie gut kennst du dich mit moderner Physik aus?«
    Ich heuchelte Entrüstung. »Gut genug! Und ich bin nicht dumm. Ich kann einiges nachholen.«
    »Wann?«
    »Ich werde es schaffen. Ich werde schneller arbeiten. Ich stelle Gepanschtes DNS vor dem Termin fertig. Wann soll der Mosala-Beitrag gesendet werden?«
    »Anfang nächsten Jahres.«
    Was bedeutete, daß ich es acht Monate lang vergleichsweise ruhig hatte – nachdem die Konferenz vorbei war.
    Lydia blickte überflüssigerweise auf ihre Uhr. »Ich verstehe dich nicht. Eine Topstory über Qual wäre der logische Abschluß der Arbeit, die du in den vergangenen fünf Jahren geleistet hast. Anschließend kannst du darüber nachdenken, ob du vielleicht die Biotechnik aufgeben willst. Und wen sollte ich mit dieser Sache beauftragen, wenn du ablehnst?«
    »Sarah Knight?«
    »Erspare mir deinen Sarkasmus.«
    »Ich werde ihr sagen, daß du das gesagt hast.«
    »Bitte. Es ist mir gleichgültig, was sie bisher an politischen Themen gemacht hat. Sie hat bisher nur einen wissenschaftlichen Beitrag abgeliefert – und der war über exotische Kosmologien. Er war ganz gut, aber nicht gut genug, um sie auf eine solche Sache loszulassen. Sie hat sich zwei Wochen mit Violet Mosala verdient, aber keinen Topbeitrag über das alphagefährlichste Virus der Welt.«
    Bisher hatte niemand ein Virus entdeckt, der mit Qual assoziiert war. Ich hatte zwar seit einer Woche keine Nachrichten mehr gesehen, aber mein Datenmaulwurf hätte mir Bescheid gesagt, wenn es zu einem so bedeutenden Durchbruch gekommen wäre. In meiner Magengegend stellte sich das unangenehme Gefühl ein, daß die Sendung, wenn ich sie nicht selbst machte, mit dem Untertitel Wie ein freigesetztes militärisches Pathogen zum Psycho-AIDS des einundzwanzigsten Jahrhunderts mutierte angekündigt würde.
    Reine Eitelkeit. Glaubte ich etwa, ich sei der einzige Mensch auf diesem Planeten, der in der Lage war, den hysterischen Gerüchten, von denen Qual umgeben war, den Boden zu entziehen?
    »Ich habe mich noch nicht entschieden«, sagte ich. »Ich muß noch einmal mit Gina darüber reden.«
    Lydia war skeptisch. »Gut, mach das. Rede mit Gina, und ruf mich morgen früh an.« Sie blickte wieder auf die Uhr. »Hör mal, ich habe jetzt wirklich keine Zeit mehr. Einige von uns müssen tatsächlich noch arbeiten.« Ich öffnete den Mund zu einem erzürnten Protest, doch sie lächelte verschmitzt und richtete zwei Finger auf mich. »Erwischt! Daß ihr auteurs keinen Sinn für Ironie habt! Bis dann.«
    Ich wandte mich von der Konsole ab und starrte auf meine geballten Fäuste, während ich versuchte, mir über meine Empfindungen klarzuwerden – zumindest soweit, daß ich alles beiseite schieben und mich wieder meiner Arbeit an Gepanschtes DNS widmen konnte.
    Vor einigen Monaten hatte ich eine kurze Nachrichtensequenz mit jemandem gesehen, der Qual hatte. Ich war zu der Zeit in einem Hotelzimmer in Manchester gewesen und hatte zwischen zwei Terminen die Kanäle durchgezappt. Eine junge Frau, die etwas mitgenommen, aber ansonsten gesund aussah, lag in einem Korridor in einem Apartmentgebäude in Miami auf dem Rücken. Sie fuchtelte mit den Armen, strampelte heftig mit den Beinen, warf den Kopf hin und her und verrenkte ständig den Körper. Doch es hatte gar nicht wie die Auswirkung einer starken neurologischen Funktionsstörung ausgesehen, weil die Bewegungen sehr koordiniert und bewußt gewirkt hatten.
    Und bevor die Polizei und die Sanitäter sie hatten festhalten können, um ihr eine Spritze mit einem hochwirksamen, genehmigungspflichtigen Betäubungsmittel wie Zwangsjacke oder Medusa zu verabreichen, hatten sie es erfolglos mit Sprays versucht. Die Frau hatte wie ein Tier in Todesqualen um sich geschlagen und geschrien, wie ein Kind bei einem solipsistischen Wutanfall, wie ein Erwachsener im Griff der entsetzlichsten Verzweiflung.
    Ich hatte fassungslos zugesehen und zugehört – und als sie endlich ruhiggestellt und

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