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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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wurde, wanderte ich durch das Lager, um zu filmen und das Signal an meine heimische Konsole zu senden – damit eine Aufzeichnung aller Ereignisse gesichert war, sofern damit noch irgendwem gedient war.
    Das vorbildliche Flüchtlingsdorf war immer noch intakt, die Pumpen funktionierten, und die sanitären Einrichtungen waren tadellos. Überall war Licht, das in verschiedenen Farbtönen vom Zeltstoff abgegeben wurde, und der Duft nach gekochtem Essen wehte aus jedem zweiten Eingang. Die gespeicherte photovoltaische Energie der Zelte würde mehrere Stunden lang reichen. Der Schaden hielt sich in Grenzen, zumindest war keine Quelle körperlicher Annehmlichkeiten in Mitleidenschaft gezogen worden.
    Doch die Menschen, denen ich begegnete, waren angespannt, ängstlich und schweigsam. Der Kampfroboter konnte jederzeit zurückkehren, bei Tag oder Nacht, und einen weiteren Menschen töten – oder eintausend.
    Wenn die Söldner ihre Roboter schickten, um wahllos zuzuschlagen, konnten sie damit sehr schnell die Moral untergraben und die Leute noch weiter forttreiben, weiter zur Küste. Treibhausflüchtlinge, die gezwungen waren, sich an das Ufer zu klammern, und auf den nächsten großen Sturm warten mußten – genau das Schicksal, vor dem sie nach Stateless geflohen waren –, solche Menschen waren möglicherweise bereit, die Insel ganz aufzugeben.
    Ich konnte mir nicht vorstellen, was mit der sogenannten Miliz geschehen war. Vielleicht waren sie längst ausgeschaltet und niedergemacht worden, während sie wider alle Vernunft tapfer versucht hatten, die Stellung in der Stadt zu halten. Ich durchsuchte die lokalen Nets. Es gab mehrere erschütterte Berichte über Dutzende von Angriffen, wie ich einen miterlebt hatte, aber ansonsten kaum etwas. Ich rechnete nicht damit, daß die Anarchisten ihre gesamten militärischen Geheimnisse im Net veröffentlichten, doch das völlige Fehlen von lärmender Propaganda, von aufmunternden Beteuerungen des bevorstehenden Sieges, war mir irgendwie unheimlich. Vielleicht hatte das Schweigen etwas zu bedeuten, aber ich war nicht in der Lage, das Rätsel zu entschlüsseln.
    Es wurde kälter. Ich wollte nicht darum bitten, im Zelt eines Fremden unterzukommen, nicht weil ich befürchtete, abgewiesen zu werden, sondern weil ich mir immer noch zu sehr wie ein Außenseiter vorkam, trotz meiner zaghaften Solidaritätsgesten. Diese Menschen wurden belagert, und für sie gab es keinen Grund, mir zu vertrauen.
    Also setzte ich mich ins Restaurant und trank eine dünne heiße Suppe. Die anderen Gäste unterhielten sich mit gedämpften Stimmen und warfen mir vorsichtige Blicke zu, in denen zwar keine offene Feindseligkeit lag, die mich aber nichtsdestoweniger ausklammerten.
    Ich hatte meine Karriere zerstört – für Mosala, für die technolibération –, aber ich hatte damit nichts erreicht. Mosala lag im Koma, und Stateless stand das Schicksal bevor, in einem langen und blutigen Todeskampf unterzugehen.
    Ich fühlte mich benommen, paranoid und nutzlos.
    Dann traf eine Botschaft von Akili ein. Hie hatte sich unbeschadet aus der Stadt flüchten können und war in einem anderen Lager, weniger als einen Kilometer entfernt.

 

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28

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    »Setz dich. Du hast die freie Auswahl.«
    Das Zelt enthielt nicht mehr als einen Rucksack und einen entrollten Schlafsack. Der transparente Boden sah trocken aus, trotz der Andeutung von Morgentau an diesem Tag, aber fast dünn genug, um den feinen Schotter darunter durch den Plastikstoff zu spüren. Ein schwarzer Flicken an der Wand gab Wärme ab – gespeicherte Sonnenenergie, die während des Tages von den leitfähigen Polymeren in jeder Faser des Zeltstoffes gesammelt worden war.
    Ich setzte mich auf ein Ende des Schlafsacks. Akili nahm neben mir im Schneidersitz Platz. Ich blickte mich anerkennend um. Trotz der Bescheidenheit der Einrichtung war es erheblich besser, als auf nacktem Fels zu hocken. »Wo hast du all die Sachen gefunden? Ich weiß nicht, ob man hier auf Plünderer schießt… aber ich würde sagen, das Risiko hat sich gelohnt.«
    Akili schnaufte. »Ich mußte es nicht stehlen. Was glaubst du, wo ich in den vergangenen zwei Wochen gelebt habe? Nicht jeder von uns kann sich das Ritz leisten.«
    Wir tauschten Neuigkeiten aus. Von meinen hatte Akili in den meisten Fällen bereits aus anderen Quellen gehört: Buzzos Tod, Mosalas Evakuierung und kritischer Zustand. Aber hie kannte noch nicht den bösen Scherz, den sie sich mit den AKs geleistet

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