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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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leuchtender als je zuvor: intelligent, neugierig, mitfühlend. Die völlig unbefangene Schönheit heines Gesichts löste tief in mir eine Resonanz aus, ein Erstaunen, einen Schauder des Wiedererkennens, der sich von der Dunkelheit innerhalb meines Schädels durch die Wirbelsäule fortpflanzte. Mein Körper schmerzte sehnsüchtig bei heinem Anblick, jede Muskelfaser, jede Sehne. Doch es war ein willkommener Schmerz, als wäre ich zusammengeschlagen worden, bis ich mich nicht mehr rühren konnte, um nun fassungslos wieder aufzuwachen.
    Das war Akili für mich: meine letzte Hoffnung, meine Erlösung.
    »Was willst du?« sagte hie.
    »Ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Komm schon! Ich bin doch nicht blind!« Hie musterte mein Gesicht mit einem leichten Stirnrunzeln – verwirrt, aber ohne Vorwurf. »Habe ich etwas getan, das dich auf falsche Gedanken gebracht hat? Habe ich dich irgendwie ermutigt?«
    »Nein.« Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Noch dringender jedoch war mein Bedürfnis, hie zu berühren.
    »Es kommt vor, daß Menschen durch die Körpersprache neuraler Asexueller irritiert werden. Ich dachte, ich hätte keinen Zweifel gelassen, aber wenn ich dich irgendwie verwirrt habe…«
    Ich schnitt hie das Wort ab. »Das hast du nicht. Zweifel gelassen.« Als ich bemerkte, wie verworren ich sprach, wartete ich einige Sekunden ab, während ich mich dazu zwang, ruhig zu atmen und den Kloß aus meiner Kehle zu entfernen. »Es ist nicht deine Schuld«, sagte ich schließlich. »Es tut mir leid, daß ich dich gekränkt habe. Ich werde gehen.« Ich erhob mich.
    »Nein.« Akili legte mir die Hand auf die Schulter, um mich sanft zurückzuhalten. »Du bist mein Freund, und du hast Kummer. Also werden wir die Sache gemeinsam zu Ende bringen.«
    Hie stand auf und hockte sich wieder hin, um sich die Schnürsenkel aufzubinden.
    »Was hast du vor?«
    »Manchmal denkt man, daß man etwas weiß, daß man es gesehen und eingesehen hat. Aber es wird erst dann zur Wirklichkeit, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat.« Hie zog das weite T-Shirt über den Kopf. Hein Oberkörper war schlank, leicht muskulös und seine Brust vollkommen glatt – keine Brüste, keine Warzen, nichts. Ich wandte den Blick ab und wollte aufstehen. Ich war fest entschlossen, zu gehen und hie endgültig zu verlassen – aus dem einzigen Grund, eine Sehnsucht zu bewahren, die, wie ich stets gewußt hatte, nirgendwohin führen würde. Doch dann blieb ich gelähmt, benommen und wankend stehen.
    »Das brauchst du nicht zu tun«, sagte ich schwach.
    Akili trat ganz nahe an mich heran. Meine Augen starrten unentwegt geradeaus. Hie nahm meine rechte Hand und legte sie auf heinen Bauch, der flach, weich und unbehaart war. Dann zwang hie meine schwitzenden Finger tiefer, zwischen heine Beine. Dort war nichts außer glatter Haut, die überall kühl und trocken war – und dann spürte ich die winzige Harnöffnung.
    Ich riß mich los, während ich mich zutiefst erniedrigt fühlte. Im letzten Moment konnte ich eine gehässige Bemerkung über afrikanische Traditionen hinunterschlucken. Ich wich zurück, soweit es mir die Zeltwand erlaubte. Ich weigerte mich immer noch, hie anzusehen, während ich gleichzeitig Leid und Wut empfand.
    »Warum? Wie kannst du deinen Körper nur so sehr hassen?«
    »Ich habe ihn niemals gehaßt. Aber ich habe ihn auch niemals verehrt.« Hie sprach leise, bemühte sich um Geduld – doch hie war die Erschöpfung anzuhören, sich immer wieder rechtfertigen zu müssen. »Ich hätte nicht gedacht, daß du die Überzeugungen der Edeniten vertrittst. Alle Ignoranzkulte verehren diekleinsten Käfige, die sie finden können: die Zufälle der Geburt, der Biologie, der Geschichte, der Kultur… und dann schimpfen sie auf jeden, der es wagt, ihnen die Gitterstäbe eines Käfigs zu zeigen, der zehnmilliardenmal größer ist. Mein Körper ist kein Tempel – und auch kein Misthaufen. Das sind die Alternativen idiotischer Mythologien, nicht die der technolibération. Die tiefste Wahrheit über den Körper ist die Tatsache, daß er letztlich nur den Gesetzen der Physik unterliegt. Ansonsten können wir mit ihm alles machen, was die UT erlaubt.«
    Diese eiskalte Logik ließ mich nur noch mehr zurückschaudern. Ich stimmte jedem einzelnen Wort zu – aber ich klammerte mich an mein instinktives Entsetzen wie an einen Rettungsring. »Die tiefste Wahrheit wäre immer noch gültig, wenn du nicht alles geopfert hättest, was…«
    »Ich habe nichts

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