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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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Fundament der UT – unabhängig davon, ob Menschen sie verstanden oder nicht.
    Doch obwohl wir nicht in Echtzeit gesendet wurden, hatte sie ihr Publikum mitgebracht. Unter den potentiellen Augen von zehn Millionen Menschen konnte ich nur noch das denken, was sie von mir erwarteten. Ich mußte mich ihren Ansichten anschließen, mich anpassen.
    Akili schien sich ebenfalls zu entspannen – doch ich wußte nicht, ob Sarahs Gegenwart hie auf dieselbe Weise mit der Wirklichkeit versöhnte oder ob sie lediglich eine willkommene Ablenkung darstellte.
    Sarah führte uns geschickt durch unsere Rollen in Violet Mosala: Opfer der Anthrokosmologie. Die Aussagen, die ich Joe Kepa gegenüber gemacht hatte, hielten sich lediglich an die juristisch relevanten Fakten, doch in diesem Interview ging es um die moralischen und philosophischen Konsequenzen der Verschwörung der Anthrokosmologisten. Sowohl Akili als auch ich sprachen über das Fischerboot und die irrsinnigen Überzeugungen der Gemäßigten, als bestünde für uns kein Zweifel, daß ihre gesamte Weltanschauung – ebenso wie ihre gewalttätigen Methoden – nur Verachtung verdienten, als wäre uns selbst in tausend Jahren nichts in den Sinn gekommen, was auch nur annähernd daran erinnerte.
    Und all dies wurde zu einer Nachricht. Alles wurde zu Geschichte. Sarah machte ihre Arbeit tadellos – doch wir drei walzten bewußt jede unausgesprochene Befürchtung, jeden Skrupel, jede Spur von Zweifel nieder, daß die Welt jemals anders als ihre blasse Net-Imitation sein könnte.
    Wir waren fast fertig – und ich wollte gerade von den Ereignissen in der Ambulanz berichten – als mein Notepad piepte. Es war ein Codesignal, daß ich diesen Anruf nur persönlich entgegennehmen durfte. Wenn ich antwortete, würde die Kommunikationssoftware automatisch auf die höchste Codierungsebene umschalten, doch wenn das Notepad andere Menschen in Hörweite registrierte, würde es sich weigern, die Verbindung herzustellen.
    Ich entschuldigte mich und verließ das Zelt. Der Himmel hatte eine schwachgraue Tönung zwischen den Sternen angenommen. Vom Platz jenseits der Marktstände war immer noch Musik und Lachen zu hören, und Menschen streiften durch das Lager, aber ich fand in der Nähe ein abgeschiedenes Plätzchen.
    »Andrew?« sagte De Groot. »Geht es Ihnen gut? Können wir reden?« Sie sah ausgezehrt und angespannt aus.
    »Mir geht es gut. Nur ein paar Kratzer durch das Beben, mehr nicht.« Ich zögerte, denn ich konnte mich nicht dazu durchringen, die Frage zu stellen.
    »Violet ist gestorben. Vor etwa zwanzig Minuten.« De Groots Stimme versagte, aber sie riß sich wieder zusammen und redete erschöpft weiter. »Noch weiß niemand genau, woran. Vielleicht eine Art Falltür, die durch die Anti-Virus-Mittel aufgestoßen wurde – oder ein Enzym, dessen Konzentration viel zu gering war, um festgestellt werden zu können, und das sich in ein Toxin verwandelte.« Sie schüttelte fassungslos den Kopf. »Sie haben praktisch ein Minenfeld aus ihrem Körper gemacht. Was hat sie nur getan, um so etwas zu verdienen? Sie hat lediglich versucht, ein paar einfache Wahrheiten zu finden, ein paar Ordnungsmuster in der Welt zu erkennen.«
    »Man hat die Leute geschnappt«, erwiderte ich. »Sie werden sich für ihre Taten verantworten müssen. Und an Violet wird man sich noch in Jahrhunderten erinnern.« Es war ein schwacher Trost, aber ich wußte nicht, was ich sonst sagen sollte.
    Und ich hätte geglaubt, auf diese Nachricht vorbereitet zu sein, seit ich gehört hatte, daß sie im Koma lag. Trotzdem kam sie wie ein unverhoffter Schlag auf den Kopf… als hätte die erstaunliche Wendung des Schicksals für die Anarchisten und Sarahs wundersames Wiedererscheinen neue Bedingungen geschaffen und einen Ausgleich erfordert. Ich legte mir vorübergehend eine Hand vor das Gesicht und sah sie wieder vor mir, wie sie im Hotelzimmer unter dem Dachfenster saß, vom Sonnenlicht bestrichen, und wie sie nach meiner Hand gegriffen hatte. Selbst wenn ich mich irre… tief unten muß etwas sein. Sonst könnten wir uns nicht einmal berühren.
    »Wann werden Sie die Insel verlassen können?« fragte De Groot. Sie klang mehr als nur leicht besorgt – was rührend, aber auch seltsam war. Wir hatten uns nicht sehr nahegestanden.
    Ich lachte nur. »Warum sollte ich? Die Anarchisten haben gewonnen, das Schlimmste ist vorbei. Dessen bin ich mir sicher.« Doch De Groot schien nicht davon überzeugt zu sein. »Haben Sie etwas

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