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Qual

Qual

Titel: Qual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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verbittert das Wort ab. »Alternativen? Die Planung von genetisch manipulierten photovoltaischen Wäldern auf zehntausendmal soviel Bodenfläche pro Megawatt klingt in meinen Ohren nach ökologischem Vandalismus.«
    »Ich will mich gar nicht darüber streiten. Ich könnte jederzeit eine Dokumentation über Gute Turbinen machen… und wenn ich sie nicht sofort verkaufen kann, warte ich einfach ab, bis sich der Wind wieder gedreht hat.«
    »Du kannst es dir nicht leisten, ohne Auftrag zu arbeiten.«
    »Richtig. Ich müßte es irgendwo einschieben.«
    Gina lachte. »Das würde ich an deiner Stelle sein lassen. Du schaffst es ja nicht einmal…«
    »Was?«
    »Nichts. Vergiß es.« Sie wedelte mit der Hand und nahm die letzte Bemerkung zurück. Ich hätte vielleicht nachhaken können, aber möglicherweise hätte ich nur meine Zeit vergeudet.
    »Apropos…«, sagte ich und erzählte ihr dann von den zwei Projekten, die Lydia mir angeboten hatte. Gina hörte geduldig zu, doch als ich sie nach ihrer Meinung fragte, wirkte sie verblüfft.
    »Wenn du Qual nicht machen willst… dann laß es bleiben. Es geht mich überhaupt nichts an.«
    Das schmerzte. »Es betrifft auch dich«, sagte ich. »Es würde viel mehr Geld einbringen.« Jetzt wirkte Gina beleidigt. »Ich meine, dann könnten wir uns einen Urlaub oder etwas anderes leisten. Wir könnten eine Fernreise machen, wenn dein nächster Urlaub fällig wird. Wenn du es möchtest.«
    »Ich werde in den nächsten achtzehn Monaten keinen Urlaub machen«, erwiderte sie steif. »Und ich kann meine Reisen selbst bezahlen.«
    »Schon gut. Vergiß es.« Ich griff nach ihrer Hand, doch sie zog sie gereizt zurück.
    Wir aßen schweigend. Ich starrte auf meinen Teller und ging im Kopf die Regeln durch, um herauszufinden, welchen Fehler ich begangen hatte. Hatte ich irgendein finanzielles Tabu gebrochen? Wir führten getrennte Konten und teilten uns die Miete zur Hälfte, aber wir hatten uns des öfteren gegenseitig ausgeholfen und uns Geschenke gemacht. Was hätte ich tun sollen? Hätte ich den Auftrag einfach annehmen sollen – nur wegen des Geldes –, um sie erst anschließend zu fragen, ob wir das Geld für irgend etwas Lohnenswertes ausgeben sollten?
    Vielleicht hatte ich den Eindruck erweckt, ich würde erwarten, daß sie diktierte, für welche Projekte ich mich entschied. Vielleicht hatte ich sie beleidigt, weil ich nicht genügend Anerkennung für die Unabhängigkeit aufbrachte, die sie mir gewährte. Mein Kopf drehte sich. In Wirklichkeit hatte ich keine Ahnung, was sie dachte. Es war alles viel zu schwierig und zu unsicher. Und mir fiel nichts ein, was ich sagen konnte, um die Sache vielleicht wieder hinzubiegen, ohne Gefahr zu laufen, möglicherweise alles nur noch schlimmer zu machen.
    Nach einer Weile sagte Gina: »Und wo soll diese große Konferenz stattfinden?«
    Ich öffnete den Mund, doch dann wurde mir bewußt, daß ich keine Ahnung hatte. Ich nahm mein Notepad auf und rief schnell die Zusammenfassung auf, die Sisyphus vorbereitet hatte.
    »Ach. Auf Stateless.«
    »Stateless?« Sie lachte. »Nach all den Jahren mit Biotechnik bist du völlig ausgebrannt… und deshalb schickt man dich zur größten künstlichen Koralleninsel der Welt?«
    »Ich flüchte nur vor der bösen Biotechnik. Stateless ist gut.«
    »Ach, wirklich? Erzähl das unserer Regierung, die immer noch das Embargo aufrechterhält. Bist du sicher, daß man dich nicht ins Gefängnis wirft, wenn du zurückkommst?«
    »Ich werde keinen Handel mit den bösen Anarchisten treiben. Ich werde sie nicht einmal filmen.«
    »Anarcho-Syndikalisten – das solltest du dir merken. Obwohl sie selbst sich gar nicht so nennen, nicht wahr?«
    »Wen meinst du mit ›sie‹? Es kommt immer darauf an, wen man fragt.«
    »Du hättest Stateless in Gepanschtes DNS erwähnen sollen. Die Wirtschaft floriert trotz des Embargos – und zwar dank der Biotechnik. Das wäre ein ausgleichendes Gegengewicht zur sprechenden Leiche gewesen.«
    »Aber dann hätte ich den Bericht nicht Gepanschtes DNS nennen können.«
    »Genau.« Sie lächelte wieder. Was immer ich angestellt hatte, es war vergessen. Ich spürte, wie mein Herz klopfte, als hätte man mich in letzter Sekunde vom Rand des Abgrundes zurückgezogen.
    Der Nachtisch, den wir ausgewählt hatten, schmeckte nach eingeweichtem Pappendeckel, aber wir füllten gehorsam den Fragebogen auf dem Tischdisplay aus, bevor wir gingen.
    Wir spazierten auf der George Street in nördlicher Richtung

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