Qual
unterdrücken, die Stimmlage neutralisieren, sich das Gesicht neu modellieren lassen, sich zur Einstülpung entscheiden (ein chirurgischer Eingriff, der die männlichen Genitalien nach innen verlagerte), bis hin zur kompletten körperlichen und/oder neuralen Asexualität, zum Hermaphroditismus oder Exotismus.
»Warum starrst du die Leute an und versuchst sie ständig einzuordnen? N-männlich, N-weiblich, asexuell… Wozu die Mühe?«
Gina verzog das Gesicht. »Versuche nicht, mich als bigott hinzustellen. Ich bin nur neugierig.«
Ich drückte ihre Hand. »Tut mir leid. So war es nicht gemeint.«
Sie entzog sich mir. »Dm hast ein ganzes Jahr damit verbracht, an nichts anderes zu denken. Du hast in Voyeurismus und Aufdringlichkeit geschwelgt – und wurdest auch noch dafür bezahlt. Ich habe nur die fertige Dokumentation gesehen. Ich verstehe nicht, warum ich jetzt eine abgeklärte Haltung zur geschlechtlichen Migration einnehmen sollte, nur weil du dieses Thema ausführlich recherchiert hast.«
Ich beugte mich vor und küßte sie auf die Stirn.
»Wofür war das?«
»Dafür, daß du der ideale Zuschauer bist, abgesehen von deinen vielen anderen Vorzügen.«
»Ich glaube, ich muß mich gleich übergeben.«
Wir bogen nach Osten in Richtung Surry Hills ab und kamen auf eine noch ruhigere Straße. Ein einzelner junger Mann mit verbissener Miene und kräftigen Muskeln kam uns entgegen. Vermutlich war sein Gesicht remodelliert – aber auch in diesem Fall konnte man sich letztlich nicht sicher sein. Gina warf mir einen Seitenblick zu. Sie war immer noch wütend, konnte sich jedoch nicht zusammenreißen. »Und das – vorausgesetzt er war wirklich U-männlich – verstehe ich noch weniger. Wenn jemand unbedingt so aussehen will – bitte! Aber warum auch das Gesicht? Es besteht wohl nur wenig Wahrscheinlichkeit, daß jemand ihn ansonsten mit einem N-Mann verwechseln könnte.«
»Nein, aber die Verwechslung mit einem N-Mann wäre eine Beleidigung, weil er genauso unmißverständlich wie ein Asexueller aus dieser Geschlechtskategorie migriert ist. Bei der U-Männlichkeit geht es darum, daß man sich von der weitverbreiteten Schwäche zeitgenössischer natürlicher Männer distanzieren will. Ihre ›konsensuelle Identität‹ – hör auf zu lachen – ist genausowenig maskulin wie deine, so daß die U-Männer praktisch ein völlig anderes Geschlecht bilden. Sie vertreten den Standpunkt, daß kein simpler N-Mann in ihrem Namen sprechen kann, genausowenig wie eine Frau.«
Gina tat, als wollte sie sich die Haare ausreißen. »Keine Frau kann im Namen aller anderen Frauen sprechen, was mich betrifft. Aber ich verspüre nicht das Bedürfnis, mich zur U-Frau oder I-Frau ummodelnzu lassen, um diesen Standpunkt zu unterstreichen!«
»Nun… ja. Mir geht es genauso. Falls irgendein Testosteronheld ein Manifest ›im Namen aller Männer‹ verfassen sollte, würde ich ihm eher ins Gesicht sagen, daß er mir den Buckel runterrutschen kann, statt mich vom N-männlichen Geschlecht zu verabschieden und ihn im Glauben zu belassen, daß er für alle noch übrigen spricht. Aber… das ist nun einmal der am häufigsten genannte Grund für die geschlechtliche Migration. Diese Leute haben die Nase voll von selbsternannten geschlechtspolitischen Galionsfiguren und anmaßenden Gurus der Mystischen Renaissance, die behaupten, ihre Interessen zu vertreten. Und sie haben es satt, wegen realer oder eingebildeter Sexualvergehen verleumdet zu werden. Wenn alle Männer gewalttätig, egoistisch, dominant und hierarchisch sind… kann man sich doch nur noch die Pulsadern aufschneiden oder ins I-männliche oder asexuelle Lager wechseln. Und wenn alle Frauen schwach, passiv, irrational und zur Opferrolle prädeterminiert sind…«
Gina versetzte mir einen tadelnden Stoß gegen den Oberarm. »Jetzt karikierst du die Karikaturisten. Ich glaube es einfach nicht, daß jemand so reden kann.«
»Nur weil du dich in den falschen Kreisen bewegst. Oder sollte ich sagen, in den richtigen? Ich dachte, du hättest dir den Bericht angesehen. Ich habe Leute interviewt, die wortwörtlich diese Statements von sich gaben.«
»Dann ist es falsch von den Medien, ihnen die Möglichkeit zur Selbstdarstellung zu geben.«
Wir hatten das Restaurant erreicht, aber wir traten noch nicht ein. »Das ist zum Teil richtig«, räumte ich ein. »Allerdings weiß ich auch nicht, wie sich das Problem lösen ließe. Wann wird jemandem, der aufsteht und verkündet: ›Ich
Weitere Kostenlose Bücher