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Quantum

Quantum

Titel: Quantum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannu Rajaniemi
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Schwerelosigkeit.
Intelligente Nanomaterie überall, unhörbar, aber mit Händen zu greifen. Und ein
menschliches Wesen, ganz in der Nähe.
    Etwas kitzelt mich an der Nase. Ich streife es ab und schlage die
Augen auf. Ein weißer Schmetterling flattert davon, verschwindet im hellen
Licht.
    Ich zwinkere. Ich bin auf einem Schiff, einem oortischen Spinnenschiff,
wenn mich nicht alles täuscht, in einem zylindrischen Raum von etwa zehn Metern
Länge und fünf Metern Durchmesser. Die durchsichtigen Wände haben die Farbe von
dreckigem Kometeneis. In ihrem Inneren sind fremdartige Stammesskulpturen
eingeschlossen, Runenzeichen gleich. Kugelförmige Bonsai-Bäume und vieleckiges
Schwerelosigkeitsmobiliar umschweben die Zentralachse des Zylinders. Hinter den
Wänden leuchten Sterne aus der Dunkelheit. Und überall flattern kleine weiße
Schmetterlinge.
    Meine Retterin schwebt ganz in der Nähe. Ich lächle ihr zu.
    »Mademoiselle«, sage ich. »Sie sind das Schönste, was ich jemals
gesehen habe.« Meine Stimme klingt weit entfernt, aber wie die meine. Ich frage
mich, ob sie mein Gesicht richtig hinbekommen haben.
    Aus der Nähe wirkt sie unglaublich jung, wirklich jung: Die klaren
grünen Augen haben nicht diesen künstlich verjüngten Alles-schon-gesehen-Blick.
Sie trägt das gleiche schlichte Gewand wie im Gefängnis. Ihre Haltung ist
trügerisch lässig, die glatten nackten Beine ausgestreckt, entspannt, aber
sprungbereit wie ein Kampfsportler. Eine Kette aus bunten Edelsteinen liegt um
ihren linken Knöchel und windet sich an ihrem Bein empor.
    »Meinen Glückwunsch, Dieb«, sagt sie. Sie spricht leise und
beherrscht, aber ihre Stimme verrät einen Hauch von Verachtung. »Du bist
entkommen.«
    »Ich hoffe es. Ich könnte ja auch in eine neue Dilemma-Variante
geraten sein. Die Archonten sind bisher ziemlich logisch vorgegangen, aber wenn
sie einen wirklich in eine virtuelle Hölle gesperrt
haben, ist das keine Paranoia.«
    Zwischen meinen Beinen regt sich etwas, und das zerstreut zumindest
einige meiner Zweifel.
    »Verzeihung. Es ist schon eine Weile her«, sage ich und studiere
meine Erektion mit distanziertem Interesse.
    »Das sieht man«, sagt sie und runzelt die Stirn. Sie hat einen ganz
eigenartigen Gesichtsausdruck, eine Mischung aus Abscheu und Erregung: Ich
begreife, dass sie den Biot-Feed meines Körpers abhört: Ein Teil von ihr
empfindet, was ich gerade empfinde. Sie ist also auch nichts anderes als ein
Gefängniswärter.
    »Du kannst mir glauben, du bist draußen. Der Aufwand war
beträchtlich. Natürlich sitzen immer noch mehrere Millionen von dir in diesem
Knast, du kannst dich also glücklich preisen.«
    Ich packe einen der Griffe an der Zentralachse und ziehe mich hinter
einen Bonsai-Baum, um wie einst Adam meine Blöße zu bedecken. Eine Wolke von
Schmetterlingen steigt aus dem Laubwerk auf. Jede Bewegung fühlt sich
merkwürdig an: Die Muskeln meines neuen Körpers sind noch nicht ganz wach.
    »Mademoiselle, ich habe einen Namen.« Ich strecke ihr um den Bonsai
herum die Hand entgegen. Sie nimmt sie misstrauisch und drückt sie. Ich
erwidere den Druck, so fest ich kann. Sie verzieht keine Miene. »Jean le
Flambeur zu Ihren Diensten. Aber Sie haben vollkommen recht.« Ich halte ihre
Knöchelkette hoch. Sie windet sich in meiner hohlen Hand wie eine lebendige
Edelsteinschlange. »Ich bin ein Dieb.«
    Sie macht große Augen. Die Narbe auf ihrer Wange färbt sich schwarz.
Und mit einem Mal bin ich in der Hölle.
    Ich bin ein körperloser Punkt im Dunkeln, unfähig, einen
zusammenhängenden Gedanken zu fassen. Mein Verstand steckt in einem
Schraubstock. Etwas drückt ihn von allen Seiten
zusammen, ich kann nicht denken, mich nicht erinnern, nicht fühlen. Es ist
tausendmal schlimmer als das Gefängnis. Und es dauert eine Ewigkeit.
    Dann bin ich wieder da, ich ringe nach Luft, mein Magen dreht sich
um, ich erbreche Galleklumpen in die Schwerelosigkeit, aber ich bin unendlich
dankbar für jede Empfindung.
    »Das wirst du nie wieder tun«, sagt sie vorwurfsvoll. »Dein Körper
und dein Geist sind Leihgaben, verstehst du? Nur wenn du stiehlst, was man dir
sagt, darfst du sie vielleicht behalten.« Die Edelsteinkette liegt wieder um
ihren Knöchel. Ein Zucken geht über ihr Gesicht.
    Das Gefängnis hat meinen Instinkt geschärft, und er rät mir, den
Mund zu halten und mit dem Kotzen aufzuhören, aber der Blumenmann in mir muss
sprechen, ich kann ihn nicht daran hindern.
    »Es ist zu spät«, keuche

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