Quantum
schon vor längerer Zeit angeschafft worden sein und hier auf
seine Aktivierung gewartet haben.«
»Ich halte das für unwahrscheinlich«, erwidert Odette. »Christian
lässt alles, was er kauft, von Experten sehr sorgfältig prüfen. Und selbst wenn
es ein solches Gerät gegeben hätte, wäre es doch im Exospeicher zu sehen
gewesen.«
»Auch wieder wahr.« Isidore sieht sie neugierig an. »Haben Sie denn
eine eigene Theorie?«
»Dafür werde ich nicht bezahlt«, erklärt Odette. »Aber wenn Sie mich
so fragen … nun, sagen wir, der liebe Christian hat im Laufe meiner Arbeit hier
schon exzentrischere Dinge getan, als einen Brief an sich selbst zu schreiben.«
Sie lächelt, und dadurch wirkt sie um einiges älter und ziemlich boshaft. »Er
langweilt sich schnell. Ich hoffe um Ihretwillen, M. Beautrelet, dass Sie im
Erfinden von Rätseln ebenso tüchtig sind wie darin, sie zu lösen. Und dass Sie
als Detektiv besser arbeiten, als Sie sich kleiden. Ihre Garderobe ist dringend
verbesserungsbedürftig.«
Auch als Isidore an diesem Abend nach Hause zurückkehrt, geht
ihm der Brief nicht aus dem Kopf. Und ihm wird klar, wie schmerzlich er den
langsamen Prozess vermisst hat, mit dem sich ein neuer Fall in seinem Kopf
entfaltet.
Lin muss noch wach sein: In der Küche brennen die Lichter. Er merkt
erst jetzt, dass er seit dem Mittag nichts mehr gegessen hat, und lässt sich
vom Küchen-Fabber einen Risotto zaubern.
Während er zusieht, wie der Fabber-Arm über dem Teller tanzt und mit
seinem Atomstrahl Reiskörner entstehen lässt, denkt er über Unruh nach. Etwas
an dem Mann ist widersprüchlich. Mit Odettes Vermutung, man hätte ihn, Isidore,
nur zugezogen, um bei einer komplizierten Scharade mitzuspielen, sind auf den
ersten Blick alle Fakten in Einklang zu bringen. Aber diese Theorie würde das
Bild zu umständlich machen, deshalb verwirft er sie.
Er starrt auf den dampfenden Teller, dann beschließt er, lieber mit
leerem Magen weiter nachzudenken, lässt das Essen auf dem Küchentisch stehen
und geht in sein Zimmer.
»Langer Tag?«
Pixil sitzt mit untergeschlagenen Beinen auf seinem Bett und spielt
mit dem grünen Wesen.
»Was machst du hier? Wie bist du hereingekommen?« Er hat Pixil in
den letzten Tagen bewusst aus seinem Gevulot ausgeschlossen. Es hat sich
angefühlt wie eine Vereisung, die eine wunde Stelle gefühllos macht.
Pixil hält den Verschränkungsring in die Höhe. Ihre Züge sind körnig
verschwommen, und er begreift, dass sie nur ein Nanonebel-Bild ist. »Er ist
nicht nur ein Kommunikationsinstrument«, sagt sie. »Ich hatte das Spiel Rate mal, was dein Freund gerade denkt gründlich satt. Auch
wenn du mit seiner Erfindung Initiative bewiesen haben magst.«
»Ist das …«
»Mein Ernst? Nein. Bei den meisten Leuten im Zoku wäre es so, keine
Frage. Das Kerlchen hier gefällt mir. Hat es einen Namen?«
»Nein.«
»Schade. Es könnte einen brauchen. Etwas aus den Werken von Lovecraft
vielleicht. Wobei es hier auch größere Schleimwesen mit Tentakeln gibt.«
Isidore schweigt.
»Ich nehme an, du bist zu beschäftigt, um dich mit mir zu
unterhalten«, sagt Pixil.
»Oder ich habe einfach keine Lust auf das Spiel Lass
uns über unsere Gefühle reden .«
Pixil sieht ihn eine Weile an. »Verstehe. Und ich war gerade dabei,
ein neues Bewertungssystem dafür zu entwickeln. Ein Punkt für jede wahre
Aussage und Bonuspunkte für echte Gefühlsoffenbarungen. Aber das war wohl
Zeitverschwendung.« Sie verschränkt die Arme. »Wenn ich Drathdor darum bitte,
könnte er ein kleines Modell für emotionale Reaktionen erstellen, das mir genau
zeigt, wie du tickst.«
Isidore kommt ein entsetzlicher Gedanke. »Du hast doch hoffentlich
nichts mit dieser le-Flambeur -Sache zu tun?« Er stößt
an die Grenzen dessen, was ihn das Gevulot über den Unruh-Auftrag mitteilen
lässt, und seine Zunge erstarrt. Aber es wäre Pixil durchaus zuzutrauen, dass
sie ein derart kompliziertes Verwirrspiel inszeniert, um sein Selbstvertrauen
wiederherzustellen. Zu seinem Schrecken wird ihm klar, dass er diese Hypothese
nicht so einfach verwerfen kann.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest«, sagt sie. »Du bist
offensichtlich sehr mit wichtigen Dingen beschäftigt.
Ich wollte dir nur Folgendes sagen: Ganz gleich, was für ein Spiel du mit mir
spielst – und glaube mir, ich bin immer der bessere Spieler –, du bist am Zug .«
Sie verschwindet. Der Verschränkungsring und das grüne Wesen fallen
mit einem dumpfen Schlag
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