Quarantäne
ein Trugschluß, aber es ist die Sorte von Trugschluß, die ich am dringendsten brauche.
Ich denke über die Beichte nach, die mir Po-kwai entlockt hat, und fühle mich dabei ein wenig gedemütigt. Aber das vergeht. Also gut, Po-kwai weiß jetzt über Karen Bescheid; es gefällt ihr nicht, sie bemitleidet mich. Damit kann ich leben.
Aber eines macht mir trotzdem Sorgen: Was, wenn die verschmierte Po-kwai wieder die Kontrolle übernimmt? Aus bloßer Neugier brachte sie mich in einen Zustand, in dem ich ihr ein Geheimnis offenbarte – ein Geheimnis, das ich ihr freiwillig nicht in einer Million Jahre anvertraut hätte.
Ausgestattet mit diesem Wissen, geleitet von Gefühlen wie Widerwillen und Mitleid, wohin wird sie mich da bei nächster Gelegenheit treiben?
11
Lui ist einer Meinung mit mir, daß wir unseren Zeitplan beschleunigen müssen, wenn nicht Po-kwais wachsender Einfluß zu unvorhergesehenen Komplikationen führen soll. In meine Erleichterung mischt sich eine gewisse Bangigkeit: Nun, heißt es, eine ganze Reihe der von Mal zu Mal anspruchsvolleren Aufgaben zu überspringen und in aller Eile das große Unternehmen anzugehen. Ich fühle mich schlecht vorbereitet. Auch wenn der Einbruch theoretisch nichts anderes ist als eine Abfolge einiger unserer bisherigen Experimente, so kann ich den Eindruck nicht loswerden, daß ich nichts weiter als ein Kartenhaus aufgebaut habe, daß sich mit irgendeinem neuen Kunststückchen schließlich die Hinfälligkeit, das Ungenügen meines Tuns zeigen wird. Das letzte Mal, als ich bei BDI eingebrochen habe, kannte ich wenigstens die Risiken – auch wenn sich meine Informationen als unzulänglich erwiesen. Dieses Mal würde ich mich ganz allein auf mein verschmiertes Ich verlassen, das auf eine einigermaßen vorteilhafte Weise kollabieren mußte. Ein Kollaps, der irgendwie an Selbstmord grenzte. Und warum sollte es das tun? Weil die meisten Komponenten dieses Ichs (mit verschiedener Wahrscheinlichkeit) es so wollten? Bisher sah es so aus, als würde es tatsächlich auf diese Weise funktionieren – aber was wußte ich schon über die Motive diese merkwürdigen Ichs?… Nichts. Es entsteht aus mir. Ich wiederum entstehe aus ihm, ohne daß ich etwas über seine Natur weiß. Ich bilde mir ein, daß meine Wünsche, meine Absichten auch für es gelten – aber das könnte reines Wunschdenken sein. Nach allem, was ich weiß, könnte dieses Ich mehr mit den Barrieren-Erbauern als mit einem Wesen auf diesem Planeten gemeinsam haben, mich selbst eingeschlossen.
Natürlich steht es mir frei, mich gegen das Unternehmen zu entscheiden. Die Liga wird mich nicht zwingen. Aber ich kann nicht aufgeben, ich darf nicht kneifen. Ich weiß, daß ich nur auf diese Art der wahren INITIATIVE dienen kann – und selbst wenn es absurd ist, den >Segen< der INITIATIVE als Erfolgsgarantie zu betrachten: Ich bin überzeugt, daß das Risiko dadurch seinen Sinn bekommt.
Im Kau-lun-Park überreicht mir Lui, sechsunddreißig Stunden vor dem geplanten Einbruch, ein kleines Kästchen von der Größe einer Streichholzschachtel: ein glattes, schwarzes Gehäuse wie aus einem einzigen Stück Metall, mit Ausnahme einer kleinen Leuchtdiode, die nun tot ist.
»Unser letztes Spielchen«, sagt er. »Versuchen Sie, ob Sie die Diode zum Leuchten bringen können.«
»Was ist das?« Ich unterdrücke meinen Ärger. In einem ersten Impuls möchte ich alles weit von mir weisen, was mit dem Unternehmen des nächsten Tags nichts zu tun hat; ich habe keine Zeit zu verschwenden – aber ich muß zugeben, daß alle seine Anweisungen bisher äußerst nützlich waren.
Er schüttelt den Kopf. »Das werde ich nicht verraten. Bei allem, was Sie bisher taten, wußten Sie genau, wo das Problem lag. Werden Sie damit fertig, und Sie haben den Beweis, daß Sie dieses Wissen gar nicht brauchen. Und Sie haben den Beweis, daß nichts, was sich Ihnen bei BDI in den Weg stellen wird – so unerwartet, so schwierig es auch sein mag –, sie aufhalten kann.«
Ich denke darüber nach; wenn ich ehrlich bin, scheint es mir ziemlich unglaubwürdig. »Das zu beweisen ist ganz unnötig, ich muß nicht erst überzeugt werden. Ich hatte schließlich keine Schaltdiagramme für das Würfelspiel, die Schlösser, die Kameras. Und glauben Sie mir: Die Telekinese-Theorie habe ich schon lange aufgegeben. Ich weiß, daß ich den Ausgang bestimme, nicht etwa, weil ich den Vorgang manipuliere. Für mich war jedes Experiment eine >Blackbox<, man
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