Quarantäne
>Kommen Sie zu uns als Freund und Helfer, verlieren Sie den Ehegatten – kein Problem, das läßt sich regeln.<
Ich hätte klagen können, sicher. Niemand kann mir verbieten, jedes gewünschte Modul zu benutzen, solange es meine Arbeit nicht beeinträchtigt. Aber ich wollte nicht streiten. Ich war zufrieden, so wie die Dinge sich entwickelt hatten.«
»Zufrieden?«
»Ja, genau gesagt, machte das Modul mich sogar glücklich. Nicht benebelt, nicht euphorisch; ich war keine Marionette… ich war einfach so glücklich, wie ich mit Karen gewesen war.«
»Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Aber sicher. Es ist die volle Wahrheit, es ist objektiv richtig. Ich war glücklich, weil meine Neuroanatomie gar nichts anderes mehr zuließ.«
»Ihre Frau war tot, und Ihnen ging es einfach prima?«
»Ich weiß, wie roh und gefühllos sich das anhört. Und natürlich wünsche ich, daß sie noch lebte. Aber sie starb nun mal, und es gibt nichts, was ich daran ändern könnte. Also habe ich ihren Tod für mich… bedeutungslos gemacht.«
Sie zögert und sagt schließlich: »Und Sie fragen sich nie, ob es vielleicht…«
»Was? Daß das alles nur eine grausige Farce ist? Daß ich besser damit aufhören würde? Daß ich Trauer, Schmerz, Kummer – alle natürlichen Konsequenzen – hätte auf mich nehmen sollen, um aus diesem Aufruhr als ein Mensch hervorzugehen, dessen emotionale Bedürfnisse nun auf andere Weise befriedigt werden können?« Ich schüttle den Kopf. »Nein. Das Modul läßt nichts unberücksichtigt, es ist komplett und hat auf jeden Aspekt des Problems eine Antwort bereit – sogar auf die Frage nach seiner Berechtigung. Der kleine Zombie-Pfadfinder war kein Idiot; er wußte, daß es keine offenen Fragen mehr geben durfte, sonst platzte die ganze Sache. Ich kann einfach nicht glauben, daß es eine Farce ist, ich kann nicht glauben, daß es schlecht für mich ist. Es ist genau das, was ich wollte, und so wird es immer sein.«
»Aber denken Sie manchmal nicht daran, was Sie denken und fühlen würden… ohne das Modul?«
»Warum sollte ich? Was sollte mir daran liegen? Wie oft denken Sie darüber nach, wer oder was Sie wären mit einem völlig anderen Gehirn?… Bei mir ist das nicht anders.«
»Nur eben ein bißchen künstlich…«
Ich seufze. »Na und? Gibt es jemanden, der ganz und gar natürlich ist? Gibt es irgendwo ein Gehirn, das sich nicht unablässig in einen bestimmten Zustand seiner Wahl zu bringen versucht? Niemand gibt sich damit zufrieden, so zu sein, wie er ist. Ist es denn so verwerflich, daß das mit einem Modul so viel einfacher wird, daß es den Erfolg garantiert? Glauben Sie wirklich, daß das naturgegebene Gehirn – das Ergebnis von Evolution, zufälligen Erfahrungen eines Lebens und vergeblichem Bemühen der Menschen, >anders< zu werden – der Inbegriff der Perfektion sein könnte? Schön, wir haben einige tausend Jahre lang alle möglichen religiösen und pseudowissenschaftlichen Gründe dafür erfunden, warum die Dinge, die wir nicht ändern können, einzig richtig und einzig wahr sein müssen. Gott kann es nicht falsch gemacht haben – und wenn nicht Gott, dann eben die Evolution; daran zu rütteln war ein Sakrileg. Und es hat lange genug gedauert, bis die Menschheit aus diesem Kinderglauben herausgewachsen ist… Aber Sie sollten einmal den Tatsachen ins Auge sehen: Das sind nichts als fadenscheinige Ausreden, weshalb man Dinge nicht will, die man gar nicht haben kann.
Sie halten mich für einen bedauernswerten Menschen, weil ich auf diese Art glücklich bin, nicht wahr? Aber ich weiß wenigstens, warum ich glücklich bin. Und zumindest brauche ich mir nicht einzureden, daß ein Produkt von Trillionen von Zufallsereignissen notwendigerweise auch den unübertroffenen Gipfel der Schöpfung darstellen muß.«
Ich warte noch eine Stunde, nachdem sie gegangen ist, und kollabiere dann. Das geschieht (natürlich) so selbstverständlich wie immer, und ebenso selbstverständlich erweist sich die Vergangenheit, an die ich mich nun erinnere, als die, die ich erlebt zu haben glaube. Mir ist klar, daß das überhaupt nichts beweist, daß es wohl anders gar nicht sein kann – und trotzdem ist es mir eine Bestätigung der Lektion, die ich bei dem Experiment mit dem Kombinationsschloß gelernt habe: Nachdem ich gefürchtet habe, nicht derjenige zu sein, der überlebt, muß ich feststellen, daß meine Furcht unbegründet ist – daß es wohl nur eine wirkliche Version von mir gibt. Es ist vielleicht
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