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Quarantäne

Quarantäne

Titel: Quarantäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Egan
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bleiben< bedeuten mag, wenn ich schon die bloße Tatsache, daß ich Po-kwai wecken könnte und ihr so Macht über das, was ich tue, gebe, ständig einbeziehen muß. Eine einfache Kette Ursache/Wirkung herzustellen ist unmöglich; ich kann höchstens darauf hoffen, die Ereignisse einigermaßen rational betrachten zu können – und im nachhinein einen zumindest oberflächlichen Zusammenhang in ihnen zu entdecken.
    Es ist vier Uhr siebzehn, als die Diode endlich zu leuchten beginnt, gleichmäßig, in strahlendem Blau. Ich zögere, bevor ich kollabiere. So lange war keines der Experimente bisher – wie viele Versionen von mir werden jetzt sterben? Aber diese Gewissensbisse stammen eigentlich nicht von mir. Ich weiß noch immer nicht, was ich glauben soll, denn jedes Mal, wenn ich diesen vermeintlichen Holocaust unbeschadet überstanden haben, fällt es mir schwerer, daran zu glauben. Ich schalte auf AUS…
    … und da ist jemand, der überlebt. Es gibt eine Vergangenheit, eine Vergangenheit, und meine Erinnerungen sind frei von Widersprüchen. Was will man mehr? Und wenn noch vor einer Sekunde zehn hoch dreißignochwas lebendige menschliche Wesen hier gesessen haben sollten und sich fragten, wann denn endlich das Lämpchen aufleuchten würde… na ja, dann ging es wenigstens schnell und schmerzlos.
    Auf jeden Fall hat Po-kwai recht: Das ist es, was Menschsein bedeutet – die Menschen zu ermorden, die man hätte sein können. Ob Metapher oder Faktum, ob quantenmechanische Abstraktion oder Wesen aus Fleisch und Blut: Ich kann es nicht ändern.
    Ich schüttle meine Lethargie ab und wähle das Einschlafen, was mir heute überraschend leichtfällt. Am frühen Nachmittag bringe ich das schwarze Kästchen – ausgerechnet – in jenen NanoTech-Trödelladen, wo ich Hypernova bekommen habe (wieder eine von Luis grotesken Sicherheitsvorkehrungen; ich schwöre mir, daß ich nach dieser Nacht einiges in dieser Richtung klarstellen werde). Die Diode leuchtet noch immer, als ich das Ding aus der Hand gebe – das ist ein gutes Zeichen. Anscheinend läuft das Programm immer weiter, wenn die Faktorenzerlegung abgeschlossen ist, und bestätigt sich so unaufhörlich die Richtigkeit des Ergebnisses. Das heißt, daß ich entweder die Maschine dazu gebracht habe, immerfort zu lügen, oder das Unwahrscheinliche ist eingetreten und braucht nur noch von einem zweiten Computerbestätigt zu werden. Was allerdings unser skeptischer Kunde zu diesem nach menschlichem Ermessen unmöglichen Resultat sagen wird, weiß ich nicht. An seiner Stelle würde ich argwöhnen, daß man mich bewußt in die Irre führen will; vielleicht werden sie tatsächlich den gewünschten Code, auf diese Weise dechiffrieren – und glauben dann, daß sie das Opfer einer gezielten Desinformation geworden sind. Ich blicke hinauf in den Himmel, wo sich ein Fleck aus strahlendem Blau ausgebreitet hat, und lache, lache. Po-kwai hat heute Ruhetag, aber das macht nichts; schon dreimal habe ich Initiative unter solchen Umständen benutzt, und das erfolgreich. Das verschmierte System aus Nick plus (träumender) Po-kwai hat es auf diesem Gebiet weit gebracht, und die nötigen Fertigkeiten bewahrt es im profanen kollabierten Zustand in irgendeiner Ecke meines, ihres oder unser beider Schädel auf.
    Ich sitze in der Diele, aktiviert, aber trotzdem unter dem Eindruck der Dinge, die da kommen sollen – so weit wenigstens, daß ich nicht in der gewohnten Wächter-Trance versinken kann. Ich frage mich – überflüssigerweise und nicht zum ersten Mal –, ob ich nicht einfach Initiative aus Po-kwais Kopf hätte stellen sollen, durch nichts weiter als die Auswahl des richtigen Eigenzustands – jenes Eigenzustands, in dem sich in meinem Kopf eine genaue Kopie ihres Moduls gebildet hatte. Aber mir ist nicht klar, wie mein verschmiertes Ich zwischen dem richtigen Resultat und irgendeiner nutzlosen Neugruppierung von Nervenzellen in meinem Gehirn hätte unterscheiden sollen – denn für einen Test hätte ich zuerst kollabieren müssen.
    Beim Abendessen ist Po-kwai ziemlich schlecht gelaunt. Ich frage sie, was los ist.
    Sie zuckt mit den Achseln. »Nichts Neues. Nur daß ich es leid bin, ewig herumgestoßen, beaufsichtigt und mundtot gemacht zu werden. Das ist schon alles.«
    »Was hat Leung denn jetzt wieder angestellt?«
    »Ach, niemand hat etwas angestellt. Es ist wie schon die ganze Zeit. Nur, daß mir heute alles noch dümmer und unerträglicher erscheint als sonst. Ich habe heute

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