Quarantaene
sozialer Interaktion«, wurde im Zwischentitel verkündet. Es folgte ein Clip von dem Subjekt, in dem dieses im gedämpft grünen Licht eines Nahrungsschachtes stand und offenkundig mit einem anderen Individuum interagierte. Die Bauchlamellen des Subjekts, blasse, weißliche Schlitze zu beiden Seiten seiner Thoraxkammer, zitterten bei jedem Atemzug. Das war Standard, und Marguerite war nicht ganz klar, was ihr nach Ansicht von Physiologie hier auffallen sollte, bis ein neuer Textabschnitt heraufgescrollt kam. Die Lamellenfedern zeigen deutliche, einem komplexen Muster folgende vertikale Tastbewegungen während der interpersonalen Kommunikation. Ah. Ja, da sah man es auf dem vergrößernden zweiten Bildschirmausschnitt. Die Lamellenfedern waren winzige rosa Härchen, kaum zu erkennen, aber doch, ja, sie bewegten sich wie ein Weizenfeld im Wind. Zum Vergleich gab es eine Einblendung von der Atmung des Subjekts in einem nicht sozialen Umfeld. Die Lamellenfedern bogen sich bei jedem Atemzug nach innen, aber das vertikale Zittern blieb aus.
Unter Umständen sehr interessant, dachte Marguerite. Sie markierte den Bericht mit einem Dringlichkeitsvermerk, woraus folgte, dass Physiologie und Gebärden ihn zur weiteren Analyse an die Kompilatoren schicken konnte. Sie fügte noch einige eigene Notizen und Nachfragen hinzu (Konsistenz? Andere Kontexte?), dann schickte sie das Ganze zur Hubble Plaza zurück.
Von der Gruppe Kultur und Technologie gab es Screenshots der jüngsten Erzeugnisse, die das Subjekt auf den Wänden seiner Kammer hinterlassen hatte. Da war das Subjekt, zu voller Größe aufgerichtet, die gedrungenen Hebebeine durchgedrückt, während es einen beweglichen Arm und offenbar so etwas wie einen Buntstift benutzte, um der Symbolreihe, die die Wände des Raumes schmückte, ein weiteres Symbol (so es sich denn um ein Symbol handelte) hinzuzufügen. Dieses neueste war Teil einer Reihe von sechzehn größer werdenden Schneckengehäusewindungen, diesmal mit einem zusätzlichen Schnörkel abgeschlossen. Für Marguerite sah es aus wie etwas, das ein rastloses Kind an den Rand seines Schulhefts kritzeln mochte. Der naheliegende Schluss war, dass das Subjekt etwas schrieb, aber schon früh war festgestellt worden, dass die Striche, Linien, Kreise, Kreuze, Punkte etc. sich nie wiederholten. Sofern es Piktogramme waren, hatte das Subjekt noch nie ein und dasselbe Wort zweimal geschrieben; falls es Buchstaben waren, war es noch nicht dazu gekommen, sein Alphabet auszuschöpfen. Bedeutete das, dass es sich um Kunst handelte? Vielleicht. Dekoration? Möglich. Aber Kultur und Technologie war der Ansicht, dass diese letzte Reihe zumindest auf irgendeine Art von linguistischem Gehalt schließen ließ. Marguerite bezweifelte das und markierte diesen Bericht mit einer Dringlichkeitsstufe, die ihn gemeinsam mit einem Dutzend ähnlicher Dokumente auf dem Gutachterschreibtisch landen lassen würde.
Der Rest des aufzuarbeitenden Materials bestand aus Tätigkeitsberichten der Aktivkommissionen und einigen kurzen Segmenten, von denen das Landschaftsvermessungsteam glaubte, sie seien für sie interessant. Balkonblicke: die sich hinter dem Subjekt in einen pastellfarbenen Nachmittag erstreckende Stadt, sandsteinrot, eine Schicht auf der anderen, wie Gebilde aus gestapelten Torten. Sie speicherte diese Bilder, um sie sich später anzusehen.
Etwa um Mitternacht war sie fertig.
Sie schaltete ihre Bürowand ab und ging durchs Haus, um weitere Lichter auszuschalten, bis eine weiche Dunkelheit herrschte. Morgen war Samstag. Keine Schule für Tess. Marguerite hoffte, dass die Satellitenverbindung bis zum Morgen wieder stehen würde. Sie wollte nicht, dass Tess sich langweilen musste am ersten Tag, an dem sie wieder bei ihr im Hause war.
Es war eine klare Nacht. Der Herbst kam zeitig in diesem Jahr. Marguerite legte sich bei offenen Vorhängen zu Bett. Als sie im vergangenen Sommer eingezogen war, hatte sie ihr großes, nutzloses Doppelbett dicht ans Fenster gerückt. Sie betrachtete gerne die Sterne, bevor sie einschlief, aber Ray hatte immer darauf bestanden, die Vorhänge zu schließen. Jetzt konnte sie tun, was sie wollte. Das Licht des Halbmonds fiel über ein Riff aus Decken. Sie schloss die Augen und fühlte sich schwerelos, seufzte noch einmal und war auch schon eingeschlafen.
Vier
Ari Weingart, Blind Lakes PR-Mann, trug ein großes digitales Klemmbrett. Chris war ein bisschen besorgt deswegen. Er hatte keine guten
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