Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
Vom Netzwerk:
sie schräg an, nicht unfreundlich, aber trotzdem, einer fragte, ob sie Zoes Nachfolgerin sei? Sie verstand die Anspielung nicht, sie focht flapsig zurück, aber es war anstrengend, sich zu behaupten. Sie war das einzige Mädchen. Sie wusste nicht, ob das ein Vorteil war. Besser wahrscheinlich, als wenn eine um Jahre Ältere aus dem Jahrgang dieser Jungs dabei gewesen wäre. Die hätte auf sie herabgeschaut. Hätte sie eine Freundin mitbringen sollen? Und wenn ja, welche? Nun war sie da und konnte nicht mehr weg. Aber da kam schon Alex. Als er sie sah, grinste er. Er nahm sie kurz in den Arm, er war diesen anderen so überlegen. Er hatte ihr die Musik gebrannt, sie schob die CD behutsam in ihre Tasche. Sie streunten durch das Center. Einer, Theo, probierte in einem Laden alle Schals an, die im Eingangsbereich in einer Holzkiste lagen; mal wickelte er sie sich um den Kopf wie einen Turban, mal spielte er einen Bankräuber oder Grippekranken. In einen rosa Schal hustete er affektiert hinein. Ein anderer fotografierte ihn dabei. Ursprünglich hatten die Schals aufgerollt gelegen und wie dicke Klopapierrollen ihr Muster gezeigt; Streifen, Tupfen, Norwegerstil, aber jeden, den er anprobiert hatte, warf Theo einfach wieder so hin. Viola hätte es genauso gemacht. Die Verkäuferin war kaum älter als die Jungs und sah mit leerem Gesicht hinter der Kasse hervor. Andere Kunden gab es nicht. Viola lachte.
    Alex zog sie weg, zum Heißen Wolf. Er kaufte eine Currywurst und teilte sie mit ihr.
    Lust, mal ins Kino zu gehen, fragte er.
    Klar, sagte sie.
    Okay, sagte er, nächste Woche. Da kommt die neue Fassung von dem Sergio-Leone-Film ins Kino, über vier Stunden, uraltes, geiles Teil, und so was von nicht jugendfrei. Die Frage ist, ob wir dich mit reinkriegen. Vielleicht kann ich einen Perso ausleihen. Wie alt bist du eigentlich?
    Fast sechzehn, log Viola. Ach, fragte Alex, später eingeschult? Äh…hm, antwortete sie und sah auf seinen Kehlkopf, bis zu dem hinunter er offensichtlich rasieren musste.
    Plötzlich wollte Alex gehen. Sie mochte nicht allein bleiben oder mit diesen anderen, die sie nicht kannte, also lief sie ihm hinterher, bis sie wieder unten auf der Straße standen. Gerade als er ihr Feuer gegeben hatte, kam ein Bus. Tschüss, Kleine, sagte er, steckte seine Zigarette wieder ein und war weg.
    Am Sonntagnachmittag mussten sie zur Oma.
    Ich bitte dich, einmal im halben Jahr, stöhnte Papa als Antwort auf Violas Gestöhne. Sie weiß gar nicht mehr, wer wir sind, maulte Viola, und Emmy, mit ihrer Lehrerinnenstimme, erwiderte, das stimmt überhaupt nicht, sie vergisst nur manchmal unsere Namen.
    Mongo supersensibel, flüsterte Viola, rollte mit den Augen und streckte die Zunge heraus. Emmy holte aus und hieb ihr die Faust auf den Oberarm. Viola hatte es nicht kommen sehen und stieß heftig Luft aus. Sie schlägt schon wieder, schrie sie empört, rieb sich den Arm, und Papa fragte, Emmy, was soll das?
    Sie hat mich schon wieder Mongo genannt, sagte Emmy, und Papas Blick wurde hart. Sie hat Halluzinationen, kreischte Viola, sie hört und sieht Dinge, die es nicht gibt. Beinahe wie die Oma, setzte sie mit schmeichelndem Ton hinzu, und Papa sagte scharf: Viola, das reicht jetzt.
    Mir auch, sagte Viola halblaut, mir reicht es schon lange, aber von da an ignorierte Papa sie.
    Schweigende Autofahrt. Papa setzte sie vor dem Eingang ab und ging im Garten spazieren. Er kam nie mit hinein. Oma und er hatten sich nie vertragen, aber jetzt wusste Oma wahrscheinlich nicht mal mehr, wer er war. In dieser Hinsicht hatte sie es leichter.
    Im Grunde hätte man Oma nicht besuchen müssen, man hätte sich im Foyer oder in den Korridoren herumtreiben können, es gab Kaffeeautomaten, wo der Cappuccino nur einen Euro kostete, und es gab andere Irre, die irgendwie interessanter waren. Aber mit Emmy war das nicht zu machen. Emmy kaufte Blumen, Emmy begrüßte Oma so, als wäre alles wie früher, sie setzte sich hin und versuchte allen Ernstes, mit ihr Würfelpoker zu spielen. Das habe ich lange nicht mehr gemacht, sagte Oma, und Emmy schleimte, siehst du, dann wird es ja Zeit.
    Als Viola die Tür öffnete und Emmy den Vortritt ließ, rief Oma von drinnen, Lisa, endlich, ich habe schon gewartet, komm herein, Lisa. Lisa, Lisa. Das war neu. Emmy zögerte, behielt ihre Taktik aber bei. Hallo Oma, sagte sie, hier kommen Viola und Emmy, deine Enkel, wie geht es dir?
    Lisa, Lisa, stammelte Oma und versuchte, Emmy zu umarmen. Emmy streichelte mit

Weitere Kostenlose Bücher