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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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welche hat ( nicht leicht, eine solche Mutter zu haben ), es nützt maximal dem Nachruhm. Und deshalb fürchtet, wer ein respektables Ehemann-Exemplar gefunden, sich mit diesem zusammengerauft und sich an sein Schnarchen oder an seine herumliegenden Mokkalöffel gewöhnt hat, nichts so sehr wie die junge Frau . Sobald wir über vierzig sind, hegen wir jungen Frauen gegenüber Mordgedanken. Selbst wenn sie als heißverliebte Ehefrauen in unseren Freundeskreis eintreten, beobachten wir argwöhnisch, wie lange unser eigener Mann das Frischfleisch bei der allgemeinen Begrüßung küsst und an sich drückt. Da gibt es nämlich einiges zu sehen.
    Und da fragen sie in den Magazinen allen Ernstes, warum Frauen stutenbissig sind?! Warum sie nicht, wie die Männer, diese unsichtbaren Netzwerke bilden und sich gegenseitig zum Aufstieg verhelfen?! Es liegt schlicht daran, dass ältere Männer immer Frauen haben, meistens viel repräsentativere als die jungen, unsicheren Männer. Da kann man leicht fördern und großzügig sein. Erfolgreiche, mittelalte Frauen dagegen wollen die begabten jüngeren nicht so einfach zu ihren Assistentinnen machen, weil sie sie eines Tages ihrem Mann vorstellen müssten. Oder weil die jungen einen engagierten Beischläfer haben, sie selbst aber schon lange nicht mehr.
    Während Männer mit dem Alter berufliches und sexuelles Renommee sammeln, gibt es für Frauen, sofern es sich nicht um Models handelt, das eine erst nach dem anderen. Auch deshalb verstehen sie sich so gut mit Schwulen.
    Die Redakteurinnen in diesen Magazinen sind übrigens nie älter als Anfang dreißig, denn sobald sie Kinder haben, steigen sie aus oder arbeiten von zu Hause. Automatisch schreiben sie nicht mehr über Stutenbissigkeit, sondern über die Probleme der Teilzeit. Man könnte sagen, ein Frauenleben besteht aus einer Folge von unverbundenen Zellen, in denen man je nach Alter einsitzt. Das Wissen fließt, wenn überhaupt, nur in eine Richtung. Solange man jung ist, weiß man nicht, was man als Ältere begreift. Aber dann nützt es einem, anders als den Männern, nichts mehr.
    Wenn ich es also recht bedenke, werde ich meine Zimperlichkeit eines Tages noch bereuen. Krystyna macht es besser, sie greift jetzt mit beiden Händen zu. In unserem Alter kann man nicht auf später warten, nicht, wenn es um Sex und Abenteuer geht. Da zählen beinahe Wochen. In unserem Alter müsste man endlich abgeklärt genug sein, um die Sphären sauber zu trennen. Kein schuldbewusstes Gesicht, kein Kondom in der Manteltasche. Hier das schöne, volle Leben mit Richard und den Kindern, dort ein kleines, gut abgeschirmtes Frischluftschnuppern. Als Nächstes wird sie mir wahrscheinlich erzählen, dass Richard und sie wieder mehr Sex haben. Das kenne ich von anderen Freundinnen.
    Ich hoffe bloß, sie macht keinen Fehler. Ich hoffe, sie verliebt sich nicht rettungslos, und der samtstimmige Mann ist nicht allzu gut im Bett. Ich muss sie anrufen. Seit gestern ist sie von der Tagung zurück. Bisher habe ich nur eine SMS von ihr bekommen, kein Text, sondern drei Smileys mit kugelrund aufgerissenem Mund. Ich weiß nicht genau, ob das Schock oder Glück bedeutet, oder beides. In Emmys Zimmer klebt ein Sticker, der alle Smileys samt Bedeutung auflistet. Dort könnte ich nachschauen… Wenn jetzt nicht gerade Mor mit Amos vom Kinderarzt zurückkäme. Dazu habe ich ihn gezwungen, da ich wegen seiner Töchter fast zwei Arbeitstage verloren habe.
    Aha, hier ist ein zerknitterter Lampion aus dem Kindergarten, hier ein Paar nasser Sportschuhe. Hier ist ein Medikament, das man erst mischen muss, Beschreibung anbei, Mor drückt mir alles in die Hand. Klar, er mischt keine Medikamente, er liest keine Packungsbeilage, er ist ein Mann. Schon ist er wieder zur Tür hinaus, Termine, Verpflichtungen, Sprechstunde, spätestens zum Abendessen zurück, denk daran, dass morgen die Storteckis kommen, wir aber noch immer keinen Wein bestellt haben. Wartet in Wahrheit irgendwo eine Nachfolgerin der Schnitzler-Tante hinter einem Latte macchiato? Oder hinter einer Hotelzimmertür?
    Amos hockt auf dem Boden und zieht sich die Schuhe aus. Ein Schwall Sand auf dem Parkett, vor zwei Stunden erst ist die Putzfrau gegangen. Ich will ihn anschreien, aber ich kann nicht. Die gütige Abdeckhaube schützt uns, dieser Teewärmer über den allzu heißen Gefühlen, der sich oft im richtigen Moment überstülpt. Amos geht in sein Zimmer und schaltet den CD-Player ein. Benjamin Blümchen singt,

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