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Quasikristalle: Roman (German Edition)

Quasikristalle: Roman (German Edition)

Titel: Quasikristalle: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Menasse
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medication, but we sure killed all the pain. But what was normal in the evening by the morning seems insane.
    Zu Hause sagte sie am Vorabend, sie hätte erst zur dritten Stunde Schule. Morgens um acht wäre sonst nur die S-Bahn geblieben, einmal den Ring herum oder so. Hatte sie alles schon gemacht, war auch echt nicht uninteressant. Die meisten Geschäfte und Cafés öffneten erst ab zehn. Habt ihr überhaupt noch Unterricht, musste Xane sie natürlich wieder anmotzen, als ob sie etwas dafür könnte, dass dauernd Unterricht ausfiel. Unterrichtsausfall am Morgen hatte selbst Xane noch nie bezweifelt. Viola zuckte mit den Schultern. Sie schlief halbwegs aus, dann legte sie sich in die Badewanne, bis Xane mit den Fäusten gegen die Tür trommelte. Als Viola aufsperrte, drängte sie sich fauchend an ihr vorbei und schnappte ihren Kulturbeutel. Fährst du weg, fragte Viola.
    Nach Hamburg, bis übermorgen, gab Xane zurück, das haben wir aber eh erst drei Mal besprochen. Sie trug ein Kleid und war im Vergleich zu sonst ziemlich aufwendig angepinselt. Viel Spaß, wünschte Viola, fast von Herzen, als ihr klar wurde, dass sie gar nichts mehr wegen Kino und länger ausbleiben verhandeln musste. Dem Papa brauchte man nur eine SMS zu schicken, dass man bei irgendwem zum Lernen war, wo es anschließend Abendessen gab. Kontrollanrufe, so etwas fiel nur Xane ein, und leider immer dann, wenn es berechtigt war.
    Hallo Kleine, sagte Alex, als sie sich im Kreuzbergpark trafen, und hielt den Personalausweis eines dunkelhaarigen Mädchens hoch, ähnlicher hab ich nicht gekriegt. Viola lachte und las: Stefanie Heinitz.
    Wirst du jetzt Stefanie zu mir sagen?
    Sicher nicht. Ist eine Streberin. Aber hilfsbereit.
    Wahrscheinlich ist sie in dich verliebt.
    Oh Gott, wir geben das sofort zurück!
    Sie gingen spazieren, und nach einer Weile nahm er tatsächlich ihre Hand. Die Hintergrundmusik zu diesem romantischen Film, den traurigen Sänger, hatte sie auf Dauerschleife sowieso im Kopf. I got a flask inside my pocket we can share it on the train. If you promise to stay conscious I will try and do the same.
    Später hob er sie auf eine Parkbank und küsste sie. Viola konzentrierte sich. Sie wollte alles richtig machen. Da war auf Zähne, Zungen und Nasen zu achten, und darauf, dass es kein Geräusch gab. Weil sie auf der Parkbank stand, war sie die Größere. Sie sah nicht auf ihn hinunter, sie hielt die Augen geschlossen. Während sie küsste, war sie stolz darauf, dass sie es unwiderruflich getan haben würde. Mit Alex. Es fühlte sich nicht peinlich an. Es war eine Etappe. Er hatte seine Hände in den Taschen ihrer Jacke. Er ließ sie dort, das war beruhigend und süß. Sie legte ihre Hände an seine Wangen. Dass sie heute Abend, wie jeden Tag, allein in ihrem Bett liegen und über alles nachdenken würde, schien in diesem Moment völlig unwirklich.
    Später, als sie die anderen trafen, gingen sie Hand in Hand, die anderen grinsten erst, hörten jedoch bald damit auf. Sie fuhren in einem überfüllten Bus zum Ku’damm, Theo geriet mit einem Rentner in Streit, der meckerte, er habe die Schuhe auf den Sitz gestellt. Nazifresse, sagte Theo, ihr werdet alle sterben. Viola nahm sich vor, dass sie sich Alex’ Hand zurückholen würde, falls sie sich im Gedränge verlören.
    Als sie ausstiegen, hatte sie, wie auf einer Bühne, Xane vor sich. Automatisch war Violas Blick auf ihre Gestalt gefallen, wahrscheinlich, weil sie Schal und Mantel erkannte. Nur wenige Schritte vor und über ihr, auf den Stufen eines Hotels, umarmte sie einen fremden Mann auf eine Weise, die Viola peinlich berührte. Der Mann war, soviel sie sehen konnte, hässlich und alt und überdies kleiner als Xane, aber er hielt sie in den Armen wie im Film. Xane klammerte sich geradezu an ihn. Als sie sich voneinander lösten, sagte er etwas zu ihr, sie zeigte ihm daraufhin ihre Hand, er nahm sie und küsste vorsichtig die Handfläche.
    Das ist ja total widerlich, stieß Viola hervor. Alex neben ihr hatte sich eine Zigarette angezündet und fragte, was ist?
    Die da, sagte Viola und zeigte mit dem Finger, was Xane übrigens hasste – mit nacktem Finger nicht auf angezogene Leute –, da drüben, das ist meine Mutter, also, Stiefmutter. Bis Alex in der Menschenmenge entdeckte, wen sie meinte, war der faltige Zwerg verschwunden. Sieht ganz okay aus, sagte Alex, als Xane direkt auf sie zukam. Die hat hier gerade so ’nen Greis geknutscht, murmelte Viola. Alex zuckte die Schultern und

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