Queenig und spleenig - Wie die Englaender ticken
Berichterstattung. Und sowieso zählen Dokumentationen auf BBC weltweit zum Besten, was über den Äther läuft. Ehrfurchtsvoll klicken sich deutsche Werbe- und Medienschaffende durch die Internet-Version von Top Gear, einer Autoshow, in der drei schluffige, aber überaus witzige Männer um die fünfzig in Luxuslimousinen Wettrennen mit Royal Air Force Düsenflugzeugen veranstalten oder mit Doppeldecker-Bussen über Motorräder springen und dabei regelmäßig beherzt über Deutsche, Japaner und generell alle Nicht-Engländer herziehen.
Damit Ausländer – besonders Deutsche – sich nicht ganz so dilettantisch und minderwertig fühlen müssen (Sie können jetzt wieder aufstehen), haben die Engländer in den letzten Jahren Dutzende von reality shows wie Big Brother, Celebrity Big Brother und I’m a Celebrity Get me Out of Here (die englische Version von Dschungelcamp) produziert , bei denen man nicht nur zugucken kann, wie Engländer gähnen, ihre Nasenhaare schneiden und sich Baumwollbällchen aus dem Bauchnabel pulen, sondern auch, wie sie in Mülleimer pinkeln und sich leere Weinflaschen einführen. Booze Britain präsentierte Engländer, die sich langsam aber sicher vollaufen lassen und im Anschluss mit der britischen Polizei kollidieren, Birth Night Live war ein Live-Mitschnitt aus englischen Kreissälen, Going Cold Turkey eine launige Doku, in der Junkies zum Wettentzug in der Reha-Klinik antreten. In The Virgin Diaries teilten Jugendliche ihren ersten Sex live mit der ganzen Nation, und in The Guantanamo Guidebook konnte man live dabei sein, wenn willige Kandidaten nach gängigen Militärmethoden verhört und gefoltert wurden. Aufschlussreiche Einblicke in das echte englische Leben geben auch Serien, deren Darsteller nicht halb so geleckt aussehen wie ihre Kollegen in deutschen oder amerikanischen Schmonzetten, sondern Falten, fettige Haare und krumme Zähne haben und sich benehmen wie ganz normale Menschen. Sie rauchen, müssen aufs Klo, gehen fremd, betrügen die Steuer, haben lausige Jobs und Seitensprünge, wohnen in öddeligen Wohnungen und ihre Freunde, Nachbarn und Kollegen sind genauso doof wie sie selbst. Nehmen wir zum Beispiel die großartige Serie IT Crowd . Worum geht’s? Um einen moppeligen Computersupporter mit einer Vorliebe für Fastfood und Unterwäschekataloge, seinen nerdigen Kollegen, der aussieht als würde ihn noch seine Mutti anziehen sowie eine Chefin, die keine Ahnung von Tuten und Blasen hat. In Office , dem englischen Vorbild für Stromberg, ist der Held ein schmieriger, untersetzter Abteilungsleiter, der seine Angestellten mit billigen Witzen traktiert. Zwei trunksüchtige Freunde, von denen einer arbeitslos ist, spielen die Hauptrollen in der Serie Men Behaving Badly – deren Titel Programm ist. In der Serie Extras straucheln zwei erfolglose Statisten im Dickicht des Filmgeschäfts vor sich hin. Unvergesslich bleibt auch die vom Sender ITV produzierte Serie Cracker – der deutsche Titel hieß „Für alle Fälle Fitz“: Ein fetter, alkoholabhängiger, kettenrauchender, spielsüchtiger, ehebrecherischer und misanthropischer Kriminalpsychologe spielt die tragende Rolle. Oder die Sitcom Absolutely Fabulous , in der zwei Frauen mittleren Alters sich fortwährend betrinken und dann gegenseitig zur Schnecke machen. Die Lieblings-Soap der Queen, Coronation Street , wird seit den Sechzigern vier Mal in der Woche ausgestrahlt und zeigt die einfachen Freuden der working class im fiktionalen Ort Weatherfield : Vergewaltigung, Mord, Abtreibung – und danach ein paar Bier im Pub. Im englischen Äquivalent zur deutschen Lindenstraße, der Serie Eastenders , lernt man aufs anschaulichste, dass man im Nordosten Londons entweder ruckzuck tot ist – oder mit einem prügelnden Skinhead verheiratet.
Nichts lieben die Engländer aber so sehr wie property tv shows und Do-It-Yourself-tv-shows , liebevoll auch als property porn bezeichnet. Es gibt Millionen von Sendungen wie Honey I Ruined the House , in denen die unglückseligen Versuche von Dave, Pete oder Nigel, die aus der Familienküche einen Swimmingpool machen wollten, damit enden, dass das ganze Haus aussieht wie eine abgerockte Methadonjunkie-Wohnung. Formate wie Country House Rescue berichten zu hitchcockartiger Hintergrundmusik, dass Bambus, Knöterich und Bäume aller Art gefährlicher für Häuser sind als eine marodierende streetgang aus Tottenham. Shows wie Celebrity Fantasy Homes beglücken ihre Fans mit Bildern von lebensgroßen
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