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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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aufgehört hat. Wenn du die Löcher versiegelt hast, verschwinde. Ruf uns an, wenn du draußen bist. Wir holen dich ab. Ansonsten ist das Handy nur für den Notfall gedacht.«
    Tito nickte. »Kennst du diese Frau?«, fragte er.
    »Ich kannte sie bisher nicht persönlich«, sagte Garreth nach einer Pause.
    »Ich habe Poster von ihr gesehen, in Läden am St. Marks Place. Was macht sie hier?«
    »Sie kennt Bobby«, sagte Garreth.
    »Er freut sich nicht, sie zu sehen?«
    »Sieht irgendwie aus, als ob er überhaupt einen kleinen Nervenzusammenbruch hätte, was? Aber du und ich, wir konzentrieren uns auf unsere Aufgabe, okay?«
    »Ja.«
    »Gut. Wenn du zum Container hochkletterst, trägst du das hier.« Er zeigte auf eine schwarze Filtermaske in einem großen Ziploc-Beutel. »Wir wollen nicht, dass du irgendwas einatmest. Wenn du vom Stapel herunter bist, dann versteck sie irgendwo, so dass sie erst einmal nicht gefunden wird. Und natürlich keine Fingerabdrücke.«
    »Kameras?«
    »Überall. Aber unser Container ist zuoberst auf einem Stapel, und wenn alles gutgegangen ist, befindet er sich an einer Stelle, die nicht gut einsehbar ist. Ansonsten setzt du deine Kapuze auf, und wir hoffen einfach, dass es klappt.«
    Tito ließ der schwerwiegende Verstoß gegen das Protokoll noch keine Ruhe: »Wenn diese Frau nicht zu euch gehört, und ihr sie noch nie vorher gesehen habt, woher wisst ihr dann, dass sie nicht verkabelt ist?«
    Garreth zeigte auf die drei schwarzen Antennen des Störsenders in dem gelben Kasten, mit dem Tito ihn am Union Square gesehen hatte. »Von hier sendet gar nichts«, sagte er leise, »verstanden?«

70. PHO
    Brown nahm Milgrim mit in ein düsteres und stickiges vietnamesisches Restaurant, in dem nichts auf englisch beschriftet war. Milgrim hatte das Gefühl, im Vorraum einer Sauna zu sitzen, was er als angenehm empfand. Unangenehm fand er dagegen den Geruch nach Desinfektionsmittel. Das Lokal sah aus, als wäre es irgendwann einmal etwas anderes gewesen, auch wenn Milgrim nicht hätte sagen können, was. Vielleicht eine schottische Teestube. Sperrholz aus den Vierzigern mit halbherzigen Art-Deco-Akzenten, die unter vielen Schichten abplatzender weißer Lackfarbe verschwunden waren. Sie aßen Pho und sahen zu, wie hauchdünne Scheiben rosa Rindfleisch in dem flachen Teich aus heißer, nahezu farbloser Brühe über Sojasprossen und Nudeln grau wurden. Milgrim hatte Brown noch nie Essstäbchen benutzen sehen. Brown wusste ganz offensichtlich, wie man eine Schale Pho mit Anstand aß. Als er aufgegessen hatte, klappte er seinen Laptop auf dem schwarzen Resopaltisch auf. Milgrim konnte nicht sehen, was er machte. Er vermutete, dass es hier WLAN gab, wahrscheinlich aus dem einzigen Stockwerk über dem Restaurant, oder dass Brown sich Dateien ansah, die er zuvor heruntergeladen hatte. Die alte Inhaberin brachte ihnen Plastikbecher mit Tee, der genauso gut heißes Wasser hätte sein können, abgesehen von einem merkwürdig essigsauren Nachgeschmack. Sieben Uhr abends, und sie waren die einzigen Gäste.
    Milgrim fühlte sich jetzt besser. Er hatte Brown in dem kleinen Park um ein Rize gebeten, und Brown, völlig vertieft in seine Tätigkeit am Laptop, hatte einen Reißverschluss außen an seiner Tasche geöffnet und Milgrim einen unversehrten Viererpack ausgehändigt. Im Schutz des hochgeklappten Bildschirms drückte Milgrim nun ein zweites Rize aus seiner Blisterblase und spülte es mit dem Tee hinunter. Er hatte sein Buch aus dem Auto mitgebracht, weil er schon vermutet hatte, dass Brown am Laptop arbeiten würde, und schlug eines seiner Lieblingskapitel auf: »Eine Elite amoralischer Übermenschen (2)«.
    »Was liest du da eigentlich ständig?« fragte Brown überraschend hinter dem Bildschirm.
    »›Eine Elite amoralischer Übermenschen‹«, antwortete Milgrim und war erstaunt, dass seine eigene Stimme die Kapitelüberschrift wiedergab, die er gerade gelesen hatte.
    »Das glaubt ihr doch alle«, murrte Brown abgelenkt. »Ihr Linken.«
    Milgrim wartete, aber Brown sagte nichts mehr. Er vertiefte sich wieder in die Lektüre über die Beginen und Begarden und war schon bei den Quintinisten, als Brown wieder etwas sagte.
    »Ja, Sir. Habe ich.«
    Milgrim erstarrte und bemerkte erst dann, dass Brown in sein Handy sprach.
    »Ja, Sir. Habe ich«, wiederholte Brown. Eine Pause. »Ja.« Noch eine Pause. »Morgen.« Schweigen. »Jawohl, Sir.«
    Milgrim hörte, wie Brown sein Handy zuklappte. Hörte das Klappern von

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