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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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sie.
Angelina hat noch einmal Bedenken darüber geäußert, dass du, wenn auch nur indirekt oder vielleicht, für Bigend arbei test (den man übrigens korrekt »Bi-schon« oder so ähnlich ausspricht, was aber, wie sie sagt, sogar er selbst selten tut). Aber was wichtiger ist: Sie hat ihrer Freundin Mari bei Dazed gemailt und die zuverlässige Auskunft erhalten, dass dort noch nie jemand davon gehört hat und dein Node also offensichtlich ziemlich geheim gehalten wird. Dass man ein Magazin bis zur Erstveröffentlichung unter Verschluss hält, ist schon recht eigenartig, aber dein Node ist auch da, wo jedes noch so geheime Magazin auftauchen sollte, nirgends zu finden.
Alles Liebe,
Inchmale
    Wieder ein neuer Mosaikstein in der ohnehin konfusen Erkenntnislage, dachte Hollis, während das PowerBook auf dem Waschtisch herunterfuhr und sie sich die Hände wusch. Ihr Mondrian-Haarschnitt sah im Spiegel immer noch gut aus. Sie packte das PowerBook zurück in ihre Tasche.
    Wieder überquerte sie das Gitternetz aus Mehl. Alberto und Bobby saßen an einem der Tische in Aeron-Stühlen. Die Stühle sahen heruntergekommen aus, so als ob sie aus der Konkursmasse eines Start-up-Unternehmens stammten. Das dunkel-graue, straff gespannte Meshgewebe hatte Brandlöcher von Zigaretten.
    Schwaden von blauem Rauch schwebten unter den hellen Leuchten und ließen Hollis an Stadionkonzerte denken. Bobby hatte seine Knie bis zum Kinn hochgezogen, die nichtexistierenden Absätze seiner spitzen Keds-Klone in den grauen Sitzbezug gedrückt. Im Müll auf dem Tisch hinter ihm konnte sie Red-Bull-Dosen, riesige wasserfeste Marker und einen Haufen vermeintlicher Bonbons sehen, die sie widerwillig als weiße Legosteine identifizierte.
    »Warum weiß?« Sie nahm einen Legostein in die Hand, setzte sich selbst auf einen Aeron-Stuhl und drehte sich mit ihm, um Bobby ansehen zu können. »Sind das die braunen M&Ms der Lokativkunst?«
    »Waren es die braunen, die die Leute wollten«, fragte Alberto hinter ihr, »oder wollten sie die braunen gerade nicht?«
    Bobby ignorierte ihn. »Eher sind sie wie Klebeband. Sie sind praktisch, wenn man Elektronikteile zusammenfügen will und keine Lust hat, ein Gehäuse zu bauen. Wenn man nur eine Farbe verwendet, ist das weniger verwirrend für das Auge, und Weiß ist am angenehmsten. Außerdem lassen sich die Komponenten vor Weiß gut fotografieren.«
    Sie ließ den Legostein in ihre Handfläche purzeln. »Aber kann man sie so kaufen, nur weiße in einer Packung?«
    »Spezialanfertigung.«
    »Alberto sagt, du bist so etwas wie ein Produzent. Siehst du das auch so?«
    Bobby musterte sie unter seiner Stirnlocke hervor. »Sehr vage und allgemein gesprochen? Ja, so was ähnliches.«
    »Wie bist du dazu gekommen?«
    »Ich habe mit kommerzieller GPS-Technologie gearbeitet. Das kam, weil ich vorhatte, Astronom zu werden, und Satelliten mich faszinierten. Das Interessanteste am GPS-Netz, was es ist, was wir daraus machen, was wir daraus noch machen könnten, alles wurde von Künstlern entwickelt. Von Künstlern oder vom Militär. Das ist mit neuen Technologien generell so: Die interes-santesten Anwendungen gibt es auf dem Schlachtfeld oder in einer Galerie.
    »Und das hier war anfangs etwas Militärisches.«
    »Ja, klar«, sagte Bobby. »Aber Karten waren das vielleicht auch. Das GPS-Netz ist etwas ganz Grundlegendes. Zu grundlegend für die meisten Leute, um damit zurechtzukommen.«
    »Jemand hat mir gesagt, dass der Cyberspace ›sich selbst nach außen kehrt‹. So hat sie es jedenfalls formuliert.«
    »Ja, klar. Und wenn er sich nach außen kehrt, gibt es keinen Cyberspace mehr, oder? Es hat ihn niemals gegeben, wenn man es so sieht. Auf diese Weise haben wir uns nur angesehen, wohin wir unterwegs sind, in welche Richtung. Mit dem GPS-Netz sind wir hier. Das ist die andere Seite des Bildschirms. Genau hier.« Er schob seine Ponysträhne beiseite und durchbohrte Hollis mit dem Blick seiner blauen Augen.
    »Archie, da drüben«, sie wies mit der Hand in Richtung des leeren Raums, »du wirst ihn über eine Straße in Tokio hängen?«
    Bobby nickte.
    »Aber du könntest das tun und ihn trotzdem auch hier lassen, oder? Du könntest ihm zwei verschiedene Aufenthaltsorte zuweisen. Du könntest ihm beliebig viele Orte zuweisen, oder?«
    Er lächelte.
    »Und wer würde dann wissen, dass er hier war?«
    »Wenn wir dir nicht gesagt hätten, dass er hier ist, gäbe es für dich in diesem Moment keine Möglichkeit, ihn zu finden,

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