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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Er überlegte, ob er die kleine Hotelseife mitnehmen sollte, die angenehm schäumte, und fragte sich dann, wieso er davon ausging, dass sie nicht zurückkommen würden.
    Irgendetwas lag in der Luft, war im Gange. Er erinnerte sich, dass er vor Urzeiten Sherlock Holmes gelesen hatte. Er ließ die nasse Seife auf dem Rand des barthaargesprenkelten Waschbeckens liegen und verstaute den Rest seiner Besitztümer in den zahlreichen Taschen des Mantels. Er nahm an, dass Brown noch immer seine Brieftasche mit den Ausweisdokumenten hatte. Er hatte sie konfisziert, als er Milgrim aufgriff (er hatte vorgegeben, ein Cop zu sein, und Milgrim hatte beim ersten Zusammentreffen keinen Grund, daran zu zweifeln), aber daneben stellten die paar Toilettenartikel und sein Buch, zusammen mit den Kleidern, die er trug, und dem Mantel seine ganzen irdischen Besitztümer dar. Und zwei 5-Milligramm-Tabletten Rize. Er drückte die vorletzte Dosis aus der Packung auf seine Handfläche und betrachtete sie nachdenklich. War sie ein irdisches Besitztum? Unirdisch, entschied er, und schluckte sie.
    Er hörte, wie Brown sein Gespräch mit einem energischen Händeklatschen beendete, und ging zum Fenster hinüber. Es war nicht nötig, dass er sie sah oder sie ihn. Wenn sie nicht ohnehin schon über ihn Bescheid wussten. Aber trotzdem.
    »Beweg dich!«, sagte Brown von der Tür aus.
    »Ich bin fix und fertig.«
    »Was bist du?«
    »Das Spiel ist im Gange.«
    »Möchtest du eine gebrochene Rippe?«
    Aber Brown war nicht mit dem Herzen dabei, das sah Milgrim. Er war abgelenkt, konzentriert allein auf die bevorstehende Operation, oder was immer jetzt getan werden musste im Hinblick auf den IF und das Objekt. Er hatte die Tasche mit dem Laptop in der Hand und seine andere schwarze Nylontasche über der Schulter. Milgrim sah zu, wie er sich mit seiner freien Hand abklopfte, um sich zu vergewissern, dass Pistole, Handschellen, Taschenlampe, Messer und all die anderen Instrumente der Macht, ohne die er das Haus nicht verließ, an ihrem Platz waren. Hut, Stock, Schirm, Gebetbuch, zitierte Milgrim im Stillen. »Fertig, wenn du es bist«, sagte er und ging hinter Brown in den Hotelflur hinaus.
    Als sein Benzo-Kick einsetzte, im Aufzug, wurde sich Milgrim einer nicht unangenehmen Erregung bewusst. Es war tatsächlich etwas im Gange, und solange es für ihn nicht noch einmal vier Stunden in der Wäscherei an der Lafayette brachte, versprach es, interessant zu werden.
    Brown marschierte durch die Lobby voran zum Haupteingang und hinaus in überraschend helles Sonnenlicht. Ein Portier hielt die Fahrertür eines frisch gewaschenen silbernen Corolla offen und den Schlüssel bereit. Brown nahm ihn und gab dem Mann zwei Dollar. Milgrim ging hinten um den Corolla herum und stieg ein. Brown legte die Laptop- und die andere Tasche auf den Autoboden hinter dem Beifahrersitz. Milgrim wusste: Wenn sie zusammen in einem Auto wie diesem fuhren, musste er sich immer auf dem Beifahrersitz setzen. Vielleicht, weil es dann leichter wäre, auf ihn zu schießen. Er hörte, wie Brown die Türen von innen verriegelte.
    Brown fuhr auf der Thirty-Fourth nach Osten. Das Wetter war schön und ließ einen ernst gemeinten Ansatz von Frühling erkennen. Milgrim stellte sich vor, ein Fußgänger zu sein, der müßig herumschlenderte. Ein schlendernder Fußgänger mit lediglich fünf Milligramm Rize an der Hand? Nein. Er entwarf das Bild in seiner Vorstellung neu und hängte sich Browns schwarze Tasche über die Schulter. In der, wie er annahm, die braune Papiertüte mit dem Rize-Vorrat war.
    »Team Rot Eins«, sagte Brown mit fester Stimme, als sie rechts auf den Broadway einbogen, »südlich auf dem Broadway Richtung Seventeenth.« Er lauschte.
    Milgrim sah zu Brown hin und entdeckte den grauen Stöpsel in seinem Ohr mit dem grauen Kabel daran, das in seinem Jackenkragen verschwand.
    »Ich werde dich im Auto lassen«, sagte Brown und berührte etwas an seinem Kragen, wahrscheinlich eine Stummschaltung. »Ich habe einen Parkausweis von der Transit Authority, der die Verkehrspolizisten fern halten wird, aber ich denke, ich werde dir Handschellen anlegen.«
    Milgrim hütete sich, dazu eine Meinung zu äußern.
    »Aber das hier ist New York«, sagte Brown.
    »Ja«, pflichtete Milgrim ihm zögerlich bei.
    »Du siehst aus wie ein Junkie. Der Cop denkt, du fährst ein Auto von der Transit Authority, und sieht dann, dass du mit Handschellen drangefesselt bist, allein: nicht gut.«
    »Nein«, sagte

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