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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Gefühl nicht, dass enorme Mengen Geld im Dienst von, von … ich weiß nicht. Er ist wie ein Riesenbaby mit monströser Intelligenz. Oder so.«
    »Angelina sagt, er hat nicht die geringste Moral, wenn es um die Befriedigung seiner Neugier geht.«
    »Das trifft wahrscheinlich den Punkt. Und ich mag diese Art Sache nicht, die im Moment seine Neugier erweckt, und ich mag es nicht, dass ich auf einmal spüre, dass sonderbare Dinge passieren, rundherum.«
    »Diese Art Sache. Dass du spürst. Untypisch für dich, dass du dich so undeutlich ausdrückst.«
    »Ich weiß«, sagte Hollis, verstummte und ließ ihr Handy sinken, weil ihr auf einmal klar wurde, was sie beunruhigte. Sie hob es wieder ans Ohr. »Aber wir sind am Telefon, oder?«
    Jetzt war Schweigen an seinem Ende der Leitung. Ein echtes, absolutes, digitales Schweigen, bar jedes Hintergrundrauschens, das bei Ferngesprächen einst so selbstverständlich wie der Himmel über einem gewesen war. »Ah«, sagte er. »Okay. Das ist natürlich immer so. Immer mehr so, wie man sich vorstellen kann.«
    »Wie man sich auf einmal ganz plötzlich vorstellen kann, in der Umgebung einer gewissen Person.«
    »Ähm. Ich freue mich dann also, von dir persönlich mehr zu hören. Aber, soweit ich Spanisch verstehe, ist wohl gerade mein Flug aufgerufen worden.«
    »Guten Flug, Reg.«
    »Ich rufe dich aus New York an.«
    »So was Blödes«, sagte sie und klappte ihr Handy zu. Sie hätte ihm ja von Bigends Piratengeschichte erzählen wollen, müssen, und dass sie Bobby getroffen hatte, von dem weißen Truck, der wegfuhr, und wie sie sich dabei gefühlt hatte. Er konnte die Sache klären, das wusste sie. Er konnte vielleicht auch nicht mehr Sinn in das Ganze bringen, aber seine Kategorien waren so anders als die ihren. Anders als die von jedem anderen vielleicht. Aber es war noch etwas geschehen: Die Erkenntnis, dass eine Grenze zu einem zweifelhaften Territorium überschritten wurde.
    Bigend und sein James-Bond-Schurkenauto, passend zu seinem halbfertigen Hauptquartier, seinem zu vielen Geld, seiner immensen Neugier und seiner Bereitschaft, sie zu richten, auf was immer er wollte. Das war potenziell gefährlich. Musste es sein. Auf eine Art, die sie sich vorher nie vorgestellt hatte. Wenn er nicht log, hatte er Leute dafür bezahlt, ihm über geheime Regierungsprogramme zu berichten. Den Krieg gegen den Terror. Nannten sie es überhaupt noch so? Und jetzt bekam sie auch etwas davon zu spüren, vom Terror. In ihrer Hand, im Starbucks, wo sie ihrem eigenen Handy nicht mehr traute und dem Netz, das von ihm ausging, das sich von diesen gespenstischen Pseudo-Bäumen aus spannte, die man hier von den Highways aus sah, Mobilfunkmasten mit groteskem falschen Laub getarnt, kubistischen Blattwedeln, Art-Deco-Koniferen, einem dünnen Wald, der ein unsichtbares Gitternetz stützte, nicht unähnlich dem auf Bobbys Fabrikboden, aus Mehl, Kalk, Anthrax, Abführpulver für Babys oder was immer es war. Das Netz der Telefonie, alles digitalisiert und alles, so musste sie annehmen, abgehört. Von wem oder was auch immer die Art von Dingen getan wurde, in die Bigend bei seinen Geschäften die Nase hineinsteckte. Irgendwo, musste sie jetzt erkennen, waren diese Dinge nur allzu real.
    Vielleicht jetzt, vielleicht taten sie es jetzt schon. Hörten ihr zu.
    Hollis blickte auf und sah die anderen Gäste. Kleine Angestellte im Film-, Fernseh-, Musik- oder Gamesgeschäft. Keinedieser Personen sah im Moment besonders glücklich aus. Aber wahrscheinlich war auch keine von ihnen in derselben Weise berührt von dieser neuen gefährlichen Sache, diesem Schatten, der über sie gefallen war.

35. GUERREROS
    Er ließ die schwarz eingewickelte Matratze auf dem Boden, seine Schlüssel genau in ihrer Mitte platziert, Zahnbürste und - pasta am Rand des Waschbeckens, die Bügel an dem alten Kleiderständer mit der Wanze, die Alejandro ihm gezeigt hatte. Er zog die Tür zum letzten Mal hinter sich zu und verließ das Gebäude, um in einen überraschend frischen klaren Tag hinauszutreten, eine neue Sonne, die die Hundehaufen erwärmte, die der Winter zurückgelassen hatte.
    Als er den Broadway erreichte, kaufte er einen Pappbecher mit Kaffee, schwarz, und nippte im Gehen daran. Er brachte den Rhythmus seiner Schritte in Einklang mit seinem Systema und fand Konzentration in der Bewegung, in seinem Weg. Bis er seine Aufgabe erfüllt hatte, konnte es nichts geben außer der Straße. Selbst wenn er sich aus irgendeinem Grund

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