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Quellcode

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Titel: Quellcode Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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das mit ihm Schritt hielt, verstreut über eine sich konstant vorwärtsbewegende Länge von zwei Häuserblocks auf beiden Straßenseiten, und ständig die Positionen wechselte nach einem KGB-Protokoll älter als Juana.
    Jetzt sah er seinen Cousin Marcos vom Bordstein auf die Straße treten, einen halben Block vor ihm. Marcos, der Zauberkünstler, der Taschendieb, mit seinen dunklen Locken.
    Er ging weiter.
     
    Da er sein Handy weggeworfen hatte, kontrollierte er, als er sich der Südseite des Union Square näherte, die Zeit anhand von Uhren, die er durch die Fenster von Banken oder Reinigungen sah. Orishas kümmerten sich nicht um Uhrzeiten. Es war an ihm, seine Ankunft richtig zu timen.
    Viertel vor eins. Von der East Fourteenth aus, unter den verrückten Kunstziffern, die wie wild eine Zeit verkündeten, die niemand lesen konnte, blickte er mit Oshosi zu den Zeltständen des Markts hinüber.
    Und dann liefen sie an ihm vorbei, lachend, seine zwei Freerunner vom letzten Sommer und dem Washington Square. Sie hatten ihn nicht gesehen. Er erinnerte sich nun, dass sie in einem NYU-Studentenheim lebten, hier am Union Square. Er sah sie weitergehen und wünschte, er könnte mit ihnen gehen, während die Orishas um ihn herum kurz und ganz schwach die Luft kräuselten, wie Hitze, die von Augustpflaster aufsteigt.

38. IN DER RÖHRE
    Sie lag ganz ruhig da, auf dem Rücken, das Laken ein kühler, dunkler Tunnel um ihren Körper, dem sie die ausdrückliche Erlaubnis gab zu entspannen. Dasselbe hatte sie einmal in einer Koje in einem Tourbus getan, mit einem Schlafsack statt Laken und Schaumstoffstöpseln in den Ohren, während sie jetzt die Rezeption gebeten hatte, keine Anrufe weiterzuleiten, und ihr Handy auf stumm gestellt hatte.
    Inchmale hatte es Rückkehr in den Mutterleib genannt, aber sie wusste, es war in Wirklichkeit das Gegenteil: nicht so sehr die Ruhe des Noch-Nicht-Geborenseins, sondern die Stille des Schon-Gestorbenseins. Sie wollte sich nicht wie ein Fötus fühlen, sondern wie die auf einem Sarkophag ruhende Figur, kühler Stein. Jimmy Carlyle hatte ihr einmal freudig erklärt, dass das so ziemlich genau derselbe Zustand war, den er im Heroin suchte. Nach diesem Gespräch war sie froh gewesen, dass es sie nie nach anderen Drogen als stinknormalen Zigaretten verlangt hatte.
    Immer wenn sie stark erschüttert wurde, bekam sie Sehnsucht nach diesem Röhrengefühl, vorzugsweise in einem abgedunkelten Zimmer. Von Geliebten verlassen zu werden, das Ende der Band, ihre ersten großen finanziellen Verluste, als die Dotcom-Blase geplatzt war (die Tatsache, dass sie hier investiert hatte, war auch das Erbe einer Liebe, wenn man es so sehen wollte) und ihr anschließender (und wahrscheinlicher abschließender) großer finanzieller Verlust, als der ehrgeizige Versuch ihres Freundes Jardine mit einem Indie-Music-Megastore in Brooklyn nicht ganz unvorhersehbar scheiterte. Darin zu investieren war ihr anfangs wie eine Art Hobby erschienen, etwas, das Spaß machte, mit offenem Ausgang und vielleicht sogar profitabel, und sie konnte es sich leisten, darauf zu setzen, da die Dotcom-Sache sie kurzfristig um einen einstelligen Millio-nenbetrag reicher gemacht hatte, zumindest auf dem Papier. Inchmale hatte natürlich an sie hingeredet, die Start-Up-Anteile wieder loszuwerden, als sie, wie sie jetzt wusste, ihren weißglühenden und äußerst flüchtigen Höchststand erreicht hatten. Inchmale war, weil er eben Inchmale war, seine bereits wieder losgeworden, was alle seine Bekannten verrückt gemacht hatte, die dachten, er würde seine Zukunft wegwerfen. Er hatte ihnen gesagt, so manche Zukunft müsse unbedingt weggeworfen werden. Und Inchmale hatte natürlich auch nie einen einzigen Vierteldollar seines Kapitals in ein großes Kaufhaus für Musik abseits des Mainstreams gesteckt. Der Verkauf von Musik in der vollen Bandbreite dessen, was letztendlich, wie Inchmale insistiert hatte, veraltete Musikplattformen waren.
    Hollis wusste, dass sie jetzt durch diesen plötzlichen Stich einer eigenartigen Angst im Starbucks wieder in die Röhre versetzt worden war. Angst, dass Bigend sie in etwas verwickelt hatte, das auf eine gewaltige und zugleich mysteriöse Art ge-fährlich sein könnte. Sah man es als Prozess an, dann resultierte ihre Angst aus der Ansammlung von Sonderbarkeiten, denen sie begegnet war, seit sie den Auftrag von Node angenommen hatte. Wenn Node überhaupt existierte. Bigend schien zu sagen, dass Node nur bis zu dem

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