Quellen Der Lust
betrachtete ihn einen Moment lang. „Wo ist er?“
„In meiner Westentasche.“
Waverly sah ihn an, halb zweifelnd, halb gierig. „Wo haben Sie ihn gefunden?“
„Im Wohnzimmer. Versteckt hinter einem losen Stein am Kamin.“
Waverly schüttelte den Kopf. „Sie lügen. Ich habe den Kamin untersucht und nichts gefunden.“
Wieder zuckte Simon die Achseln. „Sie hatten nicht so viel Zeit wie ich, sich dieser Aufgabe zu widmen, und das Versteck war leicht zu übersehen. Ich werde Ihnen die Stelle gern zeigen, wenn Sie möchten.“
„Geben Sie mir einfach den Brief.“
„Sie sagten, ich solle mich nicht rühren.“
Waverly wirkte ärgerlich. „Spielen Sie keine Spielchen mit mir, Kilburn. Ich kann Sie einfach erschießen und mir dann den Brief aus Ihrer Westentasche nehmen.“
„Das könnten Sie. Aber Sie werden mich nicht töten wollen, solange Sie nicht sicher sind, was ich wirklich habe. Denn wenn ich lüge und ihn nicht habe, nun, dann bin ich tot und kann Ihnen nicht mehr sagen, wo er ist.“
Waverlys Miene wurde ausdruckslos. „Sie greifen langsam in Ihre Tasche und ziehen den Brief heraus. Wenn Sie mich belogen haben, werde ich Sie nicht nur erschießen, sondern auch dafür sorgen, dass weder Ihr Bruder noch Ihre Schwester lange genug leben, um Ihrem Begräbnis beizuwohnen.“
Waverly hielt die Pistole mit ruhiger Hand, und Simon wusste, er würde treffen. Und das bedeutete, dass er nur eine Chance hatte, den Bruchteil einer Sekunde, um Genevieve und seine Familie zu retten. Schlagartig wurde er völlig ruhig. Er glaubte nicht, dass er lebend aus dieser Sache herauskommen würde, aber zumindest wollte er dafür sorgen, dass Waverlys gemeiner Plan misslang.
Den Blick fest auf seinen Vorgesetzten gerichtet, griff Simon langsam in seine Westentasche und zog das zusammengefaltete Blatt heraus, das er aus Genevieves Schlafzimmer mitgenommen hatte. Waverlys Augen funkelten, und er blickte zu dem Brief. Die Spur eines zufriedenen Lächelns umspielte seine Lippen. Simon hielt ihm das Blatt entgegen. Und dann ließ er es fallen.
Waverly blickte dem Blatt nach, und Simon zögerte nicht. Eine Chance. Eine Chance. Blitzschnell bückte er sich, zog das Messer aus seinem Stiefel und warf es. Waverlys Aufschrei erklang zusammen mit dem ohrenbetäubenden Schuss aus seiner Pistole. Ein brennender Schmerz durchfuhr Simon. Er fiel hintenüber, und alles um ihn herum wurde schwarz.
16. KAPITEL
„Beeil dich, Baxter“, drängte Genevieve, als sie den Pfad hinunterging. Ihr Cottage lag gleich um die Ecke, und sie beschleunigte ihre Schritte, während ihr Unbehagen mit jedem Meter größer wurde. Vor einer halben Stunde war der Tag angebrochen, und Simon hätte längst zurück sein sollen. Die Tatsache, dass er nicht gekommen war, weckte in ihr eine schreckliche Vorahnung.
„Es ist mehr als wahrscheinlich, dass er einfach die Zeit vergessen hat“, meinte Baxter. „Oder – ich sage das nicht gern, Genevieve – er ist einfach verschwunden. Er wäre nicht der erste Schuft, der eine Frau verlässt, nachdem er bekommen hat, was er wollte.“
Genevieve schüttelte den Kopf. „Nein. Das würde er nicht tun. So ist er nicht.“ Sie wusste es. Tief in ihrem Herzen. Kein Mann, der sie so angesehen hatte, wie er es getan, der sie so geliebt, so berührt, ihre Hände geküsst hatte wie er, so hingebungsvoll – das war kein Mann, der sie einfach beiseiteschob, ohne einen Abschied.
„Verdammt, Jinnie, alle Männer sind so.“
„Nicht alle. Du bist nicht so.“
„Das liegt daran, dass ich nicht in dein Bett will. Ich sage dir eins: auch wenn ich meine, dass es dir ohne ihn besser geht – sollte dieser Bastard wirklich ohne Abschied gegangen sein, dann werde ich ihn jagen, und es wird ihm leidtun, dass er überhaupt geboren wurde.“
„Baxter, du …“
Sie verstummte, als ein Pistolenschuss zu hören war. Sie erstarrte, und ein paar Herzschläge lang vermochte sie nichts zu denken. Dann schoss ihr ein einziges Wort durch den Kopf: Simon.
Ehe sie wieder Atem holen konnte, packte Baxter ihren Arm und riss sie hinter einen Baum.
„Das kam von da vorn“, flüsterte er und zog sein Messer.
Genevieve leckte sich über die Lippen. „Ja. Vom Cottage. Wo Simon sich befindet. Und soweit ich weiß, trägt er keine Pistole bei sich.“ Mit eisigen Fingern griff die Furcht nach ihr, und sie zog ihre eigene Pistole aus der Tasche ihres Umhangs. Als sie vortrat, versperrte Baxter ihr mit seinem ausgestreckten Arm
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