Quellen Der Lust
zusammen. Genevieve richtete die Kompressen her, Baxter presste sie auf die Wunde. Behutsam wischte sie das Blut von Simons Gesicht und seinem Hals, während sie ängstlich nach irgendeinem Anzeichen dafür suchte, dass er bei Bewusstsein war. Wieder und wieder tastete sie nach seinem Puls, um sicherzugehen, dass er noch lebte.
Sie wusste nicht, wie viele entsetzliche Minuten verstrichen waren, seit sie das Cottage betreten hatten. Bestimmt nicht mehr als fünf oder sechs, und doch kam es ihr vor wie eine Ewigkeit. Gerade als sie glaubte, das Schweigen keinen Augenblick länger zu ertragen, berichtete Baxter: „Die Blutung hat fast ganz aufgehört. Er hat eine Riesenbeule am Kopf – aber sonst nichts. Sieht aus, als wäre es nur ein Kratzer.“
Kaum hatte er das gesagt, als Simon leise aufstöhnte. Genevieve sah ihm ins Gesicht. Seine Augenlider zitterten, dann öffnete er sie langsam. Sie nahm seine Hand zwischen ihre beiden, presste sie an ihre Brust, gerade oberhalb der Stelle, wo ihr Herz heftig schlug.
„Simon, hörst du mich?“, fragte sie.
Er blinzelte ein paar Mal, und Genevieve unterdrückte einen Freudenschrei, als er sie mit seinen grünen Augen ansah. Langsam leckte er sich über die Lippen. „Geht es dir gut?“
Bei seiner leise geflüsterten Frage gelang es ihr nur mühsam, ein Lachen zu unterdrücken – oder vielleicht auch ein Schluchzen. Sie drückte seine Hand fester und zog sie an ihre Lippen. „Ja, es geht mir gut.“ Was eine glatte Lüge war – sie war halb krank vor Sorge, schwindelig vor Erleichterung, und sie hatte mehr Angst als je zuvor in ihrem Leben. Ohne sich abzuwenden sagte sie: „Ich komme hier jetzt allein klar, Baxter. Bitte hole Dr. Bailey. Und den Richter.“
Baxter nickte. „Ich durchsuche nur kurz das Haus“, sagte er und ging sofort los. Kaum waren sie allein, da flüsterte Simon: „Genevieve.“
„Ich bin hier, Simon.“
Er runzelte die Stirn und zuckte dann zusammen. „Verdammt, mein Kopf fühlt sich an, als hätte er ein Loch. Was ist geschehen?“
„Es wurde auf dich geschossen.“
Er blinzelte wieder, bevor er versuchte, sich zu bewegen. Dann amtete er tief ein, kniff die Augen zu und rührte sich nicht. Nachdem er ein paar Mal ruhig ein- und ausgeatmet hatte, stieß er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor: „Waverly?“
„Ich vermute, das ist der Name des Mannes, der auf dich geschossen hat.“
Sie sah, wie er erstarrte. Er versuchte zu nicken, überlegte es sich dann aber anders. „Ja. Ist er …“
„Er ist tot, Simon“, sagte sie beschwichtigend. Behutsam strich sie ihm eine Haarsträhne aus der Stirn, die sich dunkel von seiner bleichen Haut abhob.
Diese Neuigkeit schien ihn zu entspannen. „Gut.“
Baxter kam herein. „Alles in Ordnung. Ich komme gleich mit dem Arzt und dem Friedensrichter wieder.“ Er ging davon und schloss die Tür hinter sich.
Simon holte noch ein paar Mal tief Luft, dann fragte er: „Wie hast du mich gefunden?“
„Als du bei Sonnenaufgang nicht zurück warst, haben Baxter und ich uns Sorgen gemacht. Wir kamen hierher und fanden dich blutend und ohne Bewusstsein vor. Und den anderen Mann tot, mit deinem Messer in der Brust.“
Simon hielt die Augen geschlossen und wartete darauf, dass der Raum aufhörte, sich zu drehen. Und darauf, dass der dröhnende Schmerz in seinem Kopf und der Schwindel nachließen. Nach mehreren langsamen, vorsichtigen Atemzügen öffnete er wieder die Augen und schaute Genevieve an. Die Sorge, die ihr schönes Gesicht verdunkelte, weckte Schuldgefühle in ihm – und böse Ahnungen. Er bezweifelte nicht, dass all die Sorge und Zuneigung aus ihrer Miene verschwinden würde, wenn er ihr erst gesagt hatte, was er sagen musste.
„Kannst du mir erzählen, was passiert ist?“, fragte sie.
Als der Schwindel vorüber war und das Dröhnen in seinem Kopf einem dumpfen Druck gewichen war, nickte er, dann begann er, sich aufzurichten. Selbst mit Genevieves Hilfe ging es langsam voran, und nach der Anstrengung atmete er noch schwerer als vorher und war schweißbedeckt. Nach einigen Minuten aber fühlte er sich besser, und er zwang sich dazu, ihr in die Augen zu sehen. Ihm stockte der Atem, als er ihre Gefühle in ihren schönen blauen Augen sah. Nichts in ihrer Miene war verborgen – selbst ein Blinder hätte sehen können, dass die Zärtlichkeit in ihrem Blick bedeutete, dass ihr etwas an ihm lag. Viel. Ihm sank der Mut. Ja, ihr lag viel an dem Mann, von dem sie weder den richtigen
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