Quellen Der Lust
den Weg. „Du bleibst hier“, flüsterte er mit finsterer Miene. „Ich gehe nachsehen.“
„Ich gehe mit dir.“ Als seine Miene noch finsterer wurde, sah sie ihn an und wiederholte: „Ich gehe mit dir.“
Er murmelte etwas über eigensinnige Frauenzimmer, dann schlich er, sich immer im Schatten haltend, auf das Cottage zu. Sie näherten sich vorsichtig, sahen sich ständig dabei um, doch ihnen fiel nichts Ungewöhnliches auf. Bis sie die Tür öffneten.
Genevieve blieb beinahe das Herz stehen, als sie Simon ausgestreckt am Boden liegen sah. Die dunkle Lache um seinen Kopf wurde größer, während Blut aus seiner Schläfe rann. Ein anderer Mann, den Genevieve noch nie zuvor gesehen hatte, lag auf der anderen Seite des Zimmers, und aus seiner Brust ragte ein Messer, in dem sie das von Simon erkannte.
„Liebe Güte.“ Sie lief zu Simon und fiel auf die Knie. Der metallische Geruch des Blutes, die grässliche Wunde an seinem Kopf, das alles erfüllte sie mit einem nie gekannten Entsetzen. Ein Entsetzen, das sie zu lähmen drohte. Bebend holte sie Luft, dann riss sie sich zusammen und nahm die Pelerine ab. Später. Später konnte sie in Panik geraten. Sie legte das Kleidungsstück zu einer Kompresse zusammen und drückte sie mit einer zitternden Hand gegen die Wunde, während sie mit der anderen an Simons Hals nach seinem Puls tastete. Und sie hoffte, dass sie einen Puls fühlen würde.
„Der Kerl ist tot“, berichtete Baxter von der anderen Seite. Sie hörte, wie er aufstand und zu ihr kam. „Wie geht es Cooper?“
Sie hatte Simons Puls gefunden und wäre beinahe ohnmächtig geworden vor Erleichterung, als sie das schwache, unregelmäßige Pochen unter ihren Fingerspitzen fühlte. „Er lebt. Bring Wasser, Kompressen und Verbandszeug. Und Baxter …“ Sie hob den Kopf und drehte sich zu Baxter um. „Bitte beeile dich.“
Er lief den Korridor entlang zur Küche, und Genevieve holte noch einmal tief Atem. „Simon, kannst du mich hören? Ich bin es, Genevieve“, sagte sie mit vor Angst zitternder Stimme. Sie fühlte einen Kloß in ihrer Kehle und schluckte das Schluchzen herunter. „Bitte wach auf, Simon.“
Das Blut sickerte mit beängstigender Geschwindigkeit durch die Kompresse, nässte ihre Handfläche, und sie faltete rasch die Pelerine weiter zusammen, wobei sie ihre steifen Finger verfluchte, durch die sie so langsam war. Sie drückte so fest gegen die Wunde, wie sie nur konnte, dann beugte sie sich vor und lehnte ihre Stirn an seine.
„Bitte, Simon. Simon, mein Liebling … du musst aufwachen. Wenn du das tust, lasse ich Baxter ein ganzes Blech voll Scones für dich backen. Oder einen Kuchen. Ich weiß, du hast eine Schwäche für Süßigkeiten …“
Er bewegte sich nicht, gab keinen Laut von sich. Sie richtete sich auf, faltete eine neue Kompresse zusammen und kämpfte gegen die Angst, als weiterhin Blut aus der Wunde strömte. Sie drückte fester, betete inbrünstiger, und wieder beugte sie sich vor, um seinen schwachen Atem auf ihrer Wange zu spüren.
Das war alles ihre Schuld, nur weil Simon sie hatte beschützen wollen. Hätte sie doch bloß nie die Schatulle von Richard angenommen! Zweifellos hatte der tote Mann nach dem Brief gesucht – welchen anderen Grund sollte er haben? Sie hätte die verdammte Schatulle gleich zurückschicken sollen. Weil sie das nicht getan hatte, war Baxter verletzt worden, und Simon – Himmel, Simon würde vielleicht sterben.
„Verlass mich nicht“, flüsterte sie, entsetzt, weil er so bleich war. „Bitte verlass mich nicht. Ich habe dich gerade erst gefunden. Ich könnte es nicht ertragen, dich zu verlieren. Ich kann nicht noch einmal einen Mann verlieren, den ich liebe.“
Die Erkenntnis, das eindeutige Wissen, dass sie ihn liebte, erfüllte sie mit Verzweiflung, und sie schluchzte auf. Sie hatte nicht erwartet, sich noch einmal zu verlieben. Und ganz bestimmt nicht so heftig. Oder so schnell. Und erst recht nicht in einen Mann, der vor ihren Augen verblutete.
Himmel, was sie für Richard empfunden hatte, war nichts im Vergleich zu dem, was sie für Simon fühlte. Wie war das möglich? Sie wusste es nicht, aber sie konnte es auch nicht leugnen. Und die Vorstellung, ihn zu verlieren, ehe sie ihm das sagen konnte – nein. Nein, das durfte sie nicht zulassen.
Sie beugte sich vor und flüsterte in sein Ohr: „Ich liebe dich, Simon. Bitte wach auf, damit ich es dir sagen kann. Bitte …“
Baxter kehrte zurück, und schweigend arbeiteten sie
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