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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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und kleinmütig sind. Doch wie auch immer unsere Veranlagung sein mag – es ist unsere Aufgabe, mit der Quelle der Großmut in Berührung zu kommen, die der Heilige Geist auch in uns wirksam sein lässt. Wer mit dieser Großmut ausgestattetist oder wer sie sich durch Milde sich selbst gegenüber erworben hat, der wird mit weniger Energieaufwand in die täglichen Auseinandersetzungen hinein gehen. Man kann es mit einem engen und weiten Topf vergleichen. Wenn ich in einem engen Topf Milch erhitze, kocht sie schnell über. In einem weiten Topf kann sie sich verlaufen. Menschen mit einem engen Herzen regen sich über alles auf, können andere, anderes Denken und anderes Verhalten nicht ertragen. Wenn sie in die Arbeit kommen, ärgern sie sich, dass die Kollegin heute ein bestimmtes Kleid anhat. Oder sie stoßen sich an dem, was die Nachbarin erzählt oder wie sie denkt. Sie ärgern sich, dass die Blumenvase nicht genau dort steht, wo sie sie hingestellt haben. Sie regen sich über alles und jedes auf und jammern, wie schlimm das Leben sei. Das enge Herz raubt ihnen viel Energie. Sie kochen bei allem, was ihrem engen Horizont widerspricht, sofort über und verlieren so viel von ihrer inneren Kraft. Mit einem weiten Herzen kann ich energiesparender durch die Welt gehen. In einem weiten Herzen hat vieles Platz. Es kann großmütig und gelassen und langmütig sein.

    Cassian, der bedeutendste Mönchsschriftsteller im Westen spricht davon, dass die Langmut den Geist ausdehnt und in ihm eine heilsame Zufluchtsstätte schafft, in die sich der Geist von den alltäglichen Konflikten zurückziehen kann. So wünscht er seinen Lesern: „So möge euer Geist, ausgedehnt durch die Weite der Langmut und Geduld, heilsame Zufluchtsstätten der Überlegung in sich haben, in welchen der hässliche Rauch des Zornes, sobald er gewissermaßen in sie aufgenommen und zerstreut ist, sogleich verschwindet.“ (Coll 16,27, S. 165) Es ist ein schönes Bild: Die Großmut macht aus unserem Herzen eine Zufluchtsstätte, in der wirFrieden finden, während der Zorn sich dort nicht einnisten kann. Denn der Zorn braucht immer die Enge. In der Weite löst er sich auf. Das weite Herz ist eine Zufluchtsstätte der Überlegung und der Überlegtheit. Der Geist braucht immer Weite, um etwas zu bedenken und zu meditieren. In der Enge kreist er immer nur um die gleichen Gedanken. Nur ein weiter Horizont lässt uns Neues sehen, und diese Offenheit macht den Geist frei.

    Die Frage ist nun: Wie gelange ich zu dieser Großmut? Wie kann ich sie als Quelle innerer Kraft nutzen? Für den hl. Benedikt geht der Weg dazu über eine ehrliche Selbstbegegnung und Selbsterkenntnis. Nicht verbissene Selbsterforschung ist gemeint. Selbsterkenntnis muss mit einem milden Blick auf die eigene Wirklichkeit gepaart sein. Nur wenn ich mich verabschiede von der Illusion, ich könnte so perfekt werden, wie ich mir das vielleicht einmal vorgestellt habe, wächst in mir langsam diese Langmut und Großmut, auch mir selbst gegenüber. Allmählich werde ich dann auch langmütiger den Menschen in meiner Umgebung gegenüber werden. Wenn ich meinen eigenen Weg betrachte, so habe ich erlebt, dass es mir am Anfang schwer fiel, meine Fehler und Schwächen zu akzeptieren. Ich bin mit großem Ehrgeiz ins Kloster eingetreten. Ich wollte meine Fehler unbedingt bekämpfen, ja ich wollte sie ausradieren. Und anfangs habe ich tatsächlich sehr viel Energie bei diesem Kampf verschwendet, immer wieder. Wenn ich versagte, habe ich mich selbst beschuldigt und mich abgelehnt. Ich habe die Zähne zusammen gebissen und weiter gekämpft. Aber ich war nicht sehr erfolgreich. Und es hat mir Energie abgezogen. Und ich merkte erst später, wie sehr ich bei diesem Kampf um mich selbst gekreist war. Da konnte nicht mehr viel Energie für die Arbeit übrigbleiben, die ich nach außen tun sollte. Erst nachdem ich mich von meinem eigenen fixen Idealbild verabschiedet hatte, ist es mir gelungen, weitherziger zu werden. Und die Konsequenz: Sowohl der geistliche Weg als auch die Arbeit im weltlichen Bereich waren bei weitem nicht mehr so anstrengend wie vorher. Ich war meine Fixierung los, und die Großmut war wie eine Quelle, die mich von meinen engen Mustern befreite, in die ich mich gezwängt hatte. Und sie hat mich zudem für meine Umgebung erträglicher gemacht, weil ich mich jetzt auch nicht mehr ständig über Mitbrüder aufregen musste, die meinen Idealvorstellungen von einem Mönch nicht entsprachen. Aus einem

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