Quellen innerer Kraft
bereit liegt – unzerstörbar. Die Kirchenväter sprechen davon, dass sie selbst dann noch in uns ist, wenn wir verfolgt werden, wenn wir krank sind, wenn wir in den Tod gehen.
Friede ist die dritte Quelle des Geistes, aus der wir für unser Miteinander schöpfen können. Der Friede ist eine Gabe von Gott. Das hebräische Wort für Friede (shalom) beschreibt nach Auskunft der Exegeten den „Inbegriff des Heils und Glücks“ und „Wohlergehen und Lebensfülle“ des Menschen. Das Neue Testament sagt von Jesus: „Er ist unser Friede.“ (Eph 2,14) Offensichtlich haben die frühen Christen nicht nur die Friedensbotschaft Jesu gehört, sondern ihn selbst als einen Menschen erfahren, der mit sich im Frieden ist und von dem daher Frieden ausgeht in die Welt.
Menschen, die mit sich im Frieden sind, werden das, was zu tun ist, ruhig und gelassen tun. Wer dagegen mit sich selbst im Streit liegt, für den ist vieles, was er anpackt, anstrengend. Er wird behindert von den inneren Blockaden und Widerständen. Erschöpfung hat oft ihren Grund in solchen inneren Widerständen und in der inneren Zerrissenheit.
Eine Frau, die viel arbeiten wollte, konnte doch nur mit großer Anstrengung einigermaßen mit den andern mithalten. In Gesprächen wurde klar, was sie so viel Kraft gekostet hatte. Sie war mit sich nicht im Einklang. Sie überlegte bei allem, was sie tat: Was werden wohl die anderen von mir denken? Dabei ging es ihr weniger um die Anerkennung oder um die Frage, ob das, was sie leistete, auch gut genug war. Vielmehr überlegte sie schon beim Arbeiten, ob die andern wohl ihre innersten Gedanken erkennen würden, dass sie z. B. ihre sexuellen Phantasien an ihrem Gesicht ablesen könnten. Solche Zwangsgedanken, die aus ihrer inneren Zerrissenheit kamen, hatten sie blockiert und verkrampft.
Wer mit sich im Einklang ist, der kann sich auf die Arbeit einlassen. Alles, was wir verdrängt haben, womit wir keinen Frieden in uns geschlossen haben, das hindert uns bei der Arbeit und am Leben. Und es kostet uns sehr viel innere Kraft. In Gesprächen mit ausgebrannten Menschen wird mir meist sehr schnell deutlich, dass ihre Erschöpfung nicht in der Menge der Arbeit oder in der Art der Arbeit liegen kann, auch nicht an den Erwartungen, die von außen auf sie einströmen, nicht einmal an den äußeren Umständen ihres Lebens. Meist ist es der Unfrieden, den sie in sich spüren. Sie wehren sich letztlich gegen das Leben, so wie es ihnen Gott zumutet. Sie hängen lieber ihren Illusionen nach, und leben in der Phantasie, wie ihr Leben sein sollte. Genau dieser Zwiespalt zwischen ihren Illusionen und ihrer Realität raubt ihnen dann jede Energie.
Friede ist für Paulus eine Frucht des Geistes. Aber das heißt nicht, dass er uns einfach von oben zufällt. Wir müssen auch das Geschenk des Friedens annehmen, indem wir uns aussöhnen mit uns selbst, indem wir Frieden schließen mit denSchattenseiten, die uns nicht so angenehm sind. Frieden schließen – pacisci – heißt eigentlich: Ein Gespräch führen, verhandeln. Wir müssen mit den Gedanken und Gefühlen sprechen, die in uns auftauchen. Wir müssen uns mit ihnen auseinandersetzen und sie fragen, was sie möchten. Und wir müssen dann sehen, wie wir sie berücksichtigen können. Alles, was in uns auftaucht, hat eine gewisse Berechtigung. Wir dürfen es nicht einfach abwürgen. Was wir gewaltsam zum Verstummen bringen, das gärt in uns weiter und wird zur inneren Blockade, die uns viel Kraft kostet. Erst wenn wir Frieden damit schließen, wird uns diese Dimension unserer Seele zum Leben führen. Dann werden uns auch unsere Schattenseiten nicht mehr von der inneren Quelle abschneiden, sondern uns gerade auf sie verweisen.
Langmut oder Großmut , wie man das griechische Wort „makrothymia“ übersetzen kann, ist ebenfalls eine Äußerung der Quelle des Geistes. Gott, so sagt die Bibel, ist ein Gott der Langmut. Er hat einen langen Atem. Er hat Geduld mit uns und verzeiht uns großmütig unsere Schuld. Doch von der Großmut Gottes sollten auch wir lernen und einander langmütig und großmütig begegnen, anstatt uns Schuld gegenseitig vorzurechnen. Großmut drückt sich aus in der Geduld, die wir mit uns selbst und mit andern Menschen haben. Das Bild, das in diesem Wort zum Ausdruck kommt, ist „ein großes Gemüt“, ein weites Herz, ein großer weiter innerer Raum in uns. Auch hier gilt: Es gibt Menschen, die von ihrer Veranlagung her großmütig sind, während andere eher eng
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