Quellen innerer Kraft
Er kämpft ständig gegen seine eigenen negativen Phantasiegebilde an, anstatt sich dem Leben zu überlassen. Es ist eine Erfahrungstatsache: Wer meint, alles kontrollieren zu müssen, dem gerät dasLeben todsicher außer Kontrolle. Vielleicht glaubt er, seine Gefühle unter Kontrolle zu haben. Doch gerade im unpassenden Moment verliert er seine Fassung und zeigt, wie viel emotionaler Unrat hinter seiner kontrollierten Fassade steckt. Wer die Firma kontrollieren möchte, weckt soviel Gegenkräfte, dass er ständig damit zu tun hat, sie zu bändigen. Da wird ihm die Buchhaltung Informationen vorenthalten oder die Mitarbeiter werden sich in Bereiche zurückziehen, in die niemand hineinsehen kann. Wer aus der Quelle des Vertrauens schöpft, braucht weniger Energie, eine Firma zu führen. Und er wird auch in seiner alltäglichen Arbeit gelassener und ruhiger wirken können. Und vor allem spart ihm das Vertrauen viel Energie im Zusammenleben, auch im privaten Bereich und in der Familie. Er wird nicht misstrauisch auf seine Ehepartnerin oder auf die Kinder schauen. Er verzichtet darauf, alles kontrollieren zu wollen. Er sagt innerlich ja und ist dankbar für seine Familie und seine Freunde, ohne sich ständig den Kopf zu zerbrechen, ob sie es auch ehrlich meinen.
Die Sanftmut , die praytes, nennt Paulus als nächste Quelle. Der Exeget Heinrich Schlier beschreibt diese Haltung als „das milde, nicht zornige und streitsüchtige, sondern gelinde und friedliche Verhalten gegen den Nächsten“. Im profanen Griechisch steht der milde und sanftmütige Mensch im Gegensatz zu rauen und harten Charakteren. Der stoische Philosoph Epiktet sieht in der Sanftmut eine stille und freundliche Gelassenheit, „die sich nicht erbittert oder erbost gegenüber Unerfreulichem, seien es Menschen oder Geschicke.“ Er meint dabei aber kein passives Hinnehmen, sondern eine überlegene Gelassenheit, die auf innere Weisheit schließen lässt. Sie zeichnet gerade den Edelgesinnten undGebildeten aus (so Platon). Die Philosophen nennen die Sanftmut einen Schmuck der Seele, vor allem bei Herrschern, aber auch bei Frauen. Wir sollten sie aber weder vom Geschlecht noch vom sozialen Status her eingrenzen.
Der frühe Mönchspsychologe Evagrius Ponticus hat die Sanftmut als Kennzeichen des wahrhaft spirituellen Mönches beschrieben. Er sieht die Sanftmut vor allem bei Jesus und in der Person des Mose verwirklicht. So schreibt er in einem Brief: Die Schrift „preist allein dies, dass Mose sanftmütiger war als alle Menschen … Lasst auch uns jene Sanftmut dessen erwerben, der sprach: Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen, auf dass er uns seine Wege lehre und im Himmelreich erquicke.“ (Brief 56) Wer die Sanftmut lernt, von dem sagt Evagrius, dass Christus ihn im Himmelreich erquicke. Das heißt wohl: Der Sanftmütige wird von einer inneren Quelle erfrischt. Und diese Quelle sprudelt dort, wo Gott in ihm herrscht, wo er frei geworden ist von dem Einfluss seiner eigenen negativen Emotionen und den Gedanken anderer Menschen.
Man täusche sich übrigens nicht: Wer meint, von sanftmütigen Menschen gehe keine Kraft aus, sondern nur Schwäche und Ängstlichkeit, der irrt. In Wirklichkeit ist es anders: Der sanftmütige Mensch regt sich nicht über jeden auf, der etwas gegen ihn sagt. Er reagiert nicht empfindlich auf Kritik. Er macht sich nicht klein, wenn jemand bei ihm etwas auszusetzen hat. Vielmehr kann er Kritik anschauen, ohne sich persönlich angegriffen zu fühlen. Das deutsche Wort „sanft“ kommt von „sammeln“. Es bezeichnet einen Menschen, der mit anderen Menschen friedlich zusammen lebt, der aber vor allem im Frieden ist mit sich selbst. Er hat sich innerlich so geordnet, dass alles in ihm gut zusammen „passt“. Werdiesen „stimmigen“ Zustand erreicht hat, der verbraucht weniger Reibungsenergie. Der sanfte Mensch kann durchaus konsequent ein Ziel verfolgen. Denn Sanftmut meint den Mut, aus der inneren Sammlung heraus, in Gelassenheit und Sanftheit das zu tun, was man als angemessen erkannt hat. Der Sanftmütige wird jedoch nie etwas mit Gewalt durchsetzen und nicht über Leichen gehen. Seine Art der Konsequenz wird auf Dauer effektiver sein als gewaltsame Hau-Ruck-Aktionen.
Selbstbeherrschung ist die nächste Quelle des Heiligen Geistes in der Auflistung des Paulus. Das Bedeutungsfeld von enkrateia beschreibt die Haltung der Enthaltsamkeit, der Selbstbeherrschung und Zucht. Diese Haltung ist eine Gabe,
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