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Quellen innerer Kraft

Quellen innerer Kraft

Titel: Quellen innerer Kraft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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ihren Hund. Er zwingt sie, dass sie täglich zweimal nach draußen geht und einen Spaziergang macht. Und wenn sie Kummer hat, findet sie bei ihm Trost. Denn er urteilt und bewertet nicht. Er ist einfach bei ihr. Andere erleben ihr Pferd in ähnlicher Weise: Wenn sie es streicheln und füttern und wenn sie auf ihm reiten, haben sie teil an seiner vitalen Kraft. Da erfahren sie Weite und Freiheit, Verbundenheit und ein ganz elementares Verstehen. Eine Frau, die auf einem Bauernhof aufgewachsen war, erzählte mir, dass sie als Kind nach der Schule immer erst in den Stall ging, um den Kühen zu erzählen, was war. Sie hatte den Eindruck: die hörten zu, wenn sie ihnen etwas sagte. Da fühlte sie sich geborgen und verstanden. Es war für sie eine wichtige Möglichkeit, nach der für sie so anstrengenden und energieraubenden Schule wieder neu Kraft zu schöpfen.

    Gerade aktive Menschen erfahren ihre Quelle eher im Wandern als im stillen Sitzen. Wenn sie auf einen Berg steigen, kommen sie mit ihrer Energie in Berührung. Wenn sie vorher noch so erschöpft waren, noch so frustriert von der Arbeit, so bringt sie das Wandern wieder mit ihrer inneren Quelle in Berührung. Sie schwitzen vielleicht beim Bergsteigen und fühlen sich müde. Doch trotz der Anstrengung erleben sie eine innere Frische. Neue Kraft strömt in sie ein. Die Sorgen des Alltags sind wie weg gewischt. Der Kopf ist wieder frei. Andere fahren nach der Arbeit mit dem Fahrrad durch die Gegend. Dabei können sie sich frei treten von allem, was sie belastet. Sie genießen die Landschaft mit ihrer Weite und spüren, wie das Herz davon weit wird. Ein Mann erzählte mir, dass das Radfahren für ihn bereits in seiner Kindheitder Inbegriff von Freiheit war. Da hatte er den Eindruck, dass er selbst das Leben in die Hand nahm. Er konnte das Rad selbst lenken und wurde nicht mehr hin und her geschoben von seiner Mutter und von seinem Großvater. Daran knüpft er noch heute an.

    Viele sind schon als Kinder bewusst in die Natur hinausgegangen, um Abstand zu bekommen von den Eltern und ihren Erwartungen und Beurteilungen. In der Natur wollte niemand etwas von ihnen. Da konnten sie tun und lassen, was sie wollten. Wenn sie heute als Erwachsene wandern, dann steigt dieses Gefühl von Freiheit und Geborgenheit wieder in ihnen auf. Eine Frau erzählte mir, wie sie als Kind stundenlang nur auf der Wiese sitzen konnte und sich eins fühlte mit dem Leben um sie herum, mit den Blumen, den Insekten, den Vögeln, dem Wind. Sie wusste sich von der Erde getragen. Sie konnte sich einfach fallen lassen und sich der Erde anvertrauen. Auf der Wiese liegend schaute sie in den Himmel, wie die Wolken ständig ihre Formen veränderten. Das war für sie der Himmel auf Erden. Wenn sie heute in die Natur geht, sucht sie sich solche Plätze aus, auf denen sie nur schauen, riechen, tasten und hören kann. Das genügt ihr. Es ist wie damals in der Kindheit. In der Erinnerung an die Erfahrung von Geborgenheit und Freiheit und Weite fühlt sie, dass das Leben, das sie umgibt, wieder in sie einströmt. Der Geist, der die Schöpfung durchdringt, fließt auch in ihr. Es ist der Geist Gottes, der sich gerade in der Natur als unermesslich erweist und ihr wieder neue Kraft schenkt.

    Die Erfahrungen, die wir in der Natur machen, beim Wandern, beim Radfahren, beim Liegen auf der Wiese, sind deshalb so heilsam für uns, weil sie uns mit wichtigenErlebnissen in der Kindheit in Berührung bringen und weil sie uns neu und intensiv bewusst machen: In der Schöpfung Gottes ahnen wir etwas von der unerschöpflichen Fülle des Lebens, an der wir teilhaben dürfen. Da können wir uns nie satt sehen. Die Natur ist eine Einladung, immer wieder aus der Quelle des Lebens zu trinken.

5. Biblische Bilder
     
    I n der Bibel spielt das Bild der Quelle eine wichtige Rolle. Gemeint ist damit letztlich immer eine intensive Erfahrung: Wenn der Mensch Gott begegnet und ihn in seinem Geheimnis erfährt, entspringt in ihm eine Quelle. Er selbst wird für den Menschen zur Quelle. So sagt ein Psalm von Gott: „Bei dir ist die Quelle des Lebens.“ (Ps 36,10) Gott, so heißt es in einem anderen Bild, tränkt die Menschen mit dem Strom seiner Wonnen. (Ps 36,9) Gott lässt in den Tälern Quellen hervorsprudeln (Ps 104,10) Und dem Menschen hat er die Sehnsucht nach der frischen Quelle der göttlichen Liebe ins Herz gelegt. Wie der Hirsch lechzt nach der Quelle frischen Wassers, „so lechzt meine Seele, Gott, nach dir“. (Ps 42,2)

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