Quellen innerer Kraft
Und Gott verwandelt im Menschen das Harte und Verhärtete „zu quellendem Wasser“ (Ps 114,8). Der Beter erfährt Gott als Quelle, die ihn erfrischt und belebt und die das harte Herz zum Strömen bringt. Wie man sich nach langer Wanderung nach einer frischen Quelle sehnt, so sehnt sich der Fromme nach Gott. Gotteserfahrung ist wie eine Quelle, aus der man trinken kann, um sich auf seinem Weg durch die Wüste dieser Welt zu stärken. Im Psalm 87 singt der Beter: „All meine Quellen entspringen in dir.“ (Ps 87,7) Gemeint ist damit Jerusalem. Doch ein modernes Lied deutet diese Stelle auf Gott: „Alle meine Quellen entspringen in dir, in dir, mein guter Gott.“ Solche Worte drücken eine Erfahrung aus. Gott selbst ist für die Beter zu einer Quelle geworden, aus der sie trinken können. Und wenn sie in Berührung kommen mit diesergöttlichen Quelle, dann wird das Vertrocknete und Verhärtete in ihnen aufgebrochen. Es ist wie bei dem Felsen in der Wüste. Als Mose ihn mit seinem Stab berührte, strömte aus ihm eine lebendige Quelle hervor. So lässt die Begegnung mit Gott aus unserem harten und bitteren Herzen frisches und belebendes Wasser strömen.
Im Buch der Sprichwörter ist die Gottesfurcht eine Quelle des Lebens. (Spr 14,20) Wenn ich Gott ernst nehme, wenn ich mich von Gott betreffen lasse und mit seiner Wirklichkeit rechne, dann schöpfe ich aus einer Quelle, die nie versiegt. In dem biblischen Buch der Sprichwörter hat ein Autor Worte aus einem universalen Weisheitsschatz gesammelt. Ein wichtiges Bild ist auch hier das der Quelle, die in verschiedenen Zusammenhängen gesehen wird: „Die Lehre des Weisen ist ein Lebensquell, um den Schlingen des Todes zu entgehen.“ (Spr 13,14) Doch die Quelle des Lebens liegt auch im Verstand des Menschen. (Spr 16,22) Und manchmal sind Worte, die aus dem Mund eines Menschen kommen, „ein sprudelnder Bach, eine Quelle der Weisheit“. (Spr 18,4) Umgekehrt wird ein gerechter Mensch, der vor dem Frevler wankt, „ein getrübter Brunnen, ein verschütteter Quell“ (Spr 25,26) Die Erfahrung, die hier angesprochen wird, können wir heute genauso machen wie damals. Manchmal lesen wir ein Buch. Und die Worte werden für uns zu einer Quelle, die uns belebt. Oder jemand sagt uns ein Wort, das uns ins Herz fällt und dort die Quelle zum Sprudeln bringt, die in uns liegt, oft genug aber verschüttet ist. Wenn wir jedoch von unserem wahren Wesen abweichen und uns von anderen verbiegen lassen, dann wird die Quelle in uns verschüttet. Wenn wir durch die Begegnung mit weisen Menschen zur Weisheit gelangen, dann finden wir in uns eine Leben spendende Quelle.
Im Hohenlied nennt der Bräutigam seine Braut einen versiegelten Quell (Hld 4,12). Und er preist sie im Bild der Quelle: „Die Quelle des Gartens bist du, ein Brunnen lebendigen Wassers.“ (Hld 4,15) Ein geliebter Mensch ist wie eine Quelle, aus der man trinken kann. Diese Erfahrung haben zu allen Zeiten die Dichter in ihren Liebesliedern besungen. Die Frau ist für den Mann eine Quelle der Inspiration, die ihn beflügelt, aber auch eine Quelle der Liebe, die ihn erquickt. Umgekehrt kann auch der Mann für die Frau zu einer Quelle der Klarheit und Orientierung werden und zu einer Quelle, aus der sie Kraft schöpft und Energie für ihren Alltag.
Beim Propheten Jesaja ist die Quelle ein Bild für das Heil, das Gott uns bereitet hat. Uns gilt die Verheißung Gottes: „Ihr werdet Wasser schöpfen voll Freude aus den Quellen des Heils.“ (Jes 12,3) Und denen, die sich wie eine Wüste fühlen, vertrocknet und erstarrt, verspricht Gott: „In der Wüste brechen Quellen hervor, und Bäche fließen in der Steppe. Der glühende Sand wird zum Teich und das durstige Land zu sprudelnden Quellen.“ (Jes 35,6f) Es ist ein tröstliches Wort, das Gott uns zuspricht. Jeder von uns erlebt auch Zeiten der Wüste. Aber mitten in unserer Wüste gibt es Quellen und Brunnen, aus denen wir trinken können. Die Verheißung befreit uns von der Fixierung auf das Verdorrte und Vertrocknete in uns. Die Quelle wird aber nicht die ganze Wüste bewässern, sondern nur einen kleinen Umkreis. Wir müssen diese Spannung aushalten: dass wir Wüste sind, in der eine Quelle entspringt. Oft genug fühlen wir uns ausgedorrt wie die Wüste. Alles in uns ist öd und leer. Und doch sollten wir daran glauben, dass mitten in unserer Wüste eine Quelle entspringt. Das relativiert die Wüste.
Gott verwandelt durch seinen Geist unser hartes Herz zu einer
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