Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
bemüßigt, an die Scheibe zu klopfen, die noch immer stark beschlagen war.
»Das ist ein öffentlicher Raum. Sie dürfen das nicht. Ich bin pensionierter Polizist. Hören Sie auf. Oder ich rufe die Kollegen.«
Quercher hüllte Hannah in die Decke, stieg, nackt wie er war, aus dem Auto, hielt dem Mann in der Pepitajacke seinen Dienstausweis hin und sagte: »Ich höre, Kollege.«
Noch einige Meter weiter vernahm Quercher, wie die Rentnerin auf den Mann einredete.
»Ich weiß genau, wo der Typ hingeschaut hat«, rief Hannah aus dem Auto heraus. Sie lachte ein äußerst dreckiges Lachen. »Ich habe Hunger, Alpenbursche. Wohin führst du mich aus?«
Kapitel 33
Tegernsee, Mittwoch, 20. 12., 13.40 Uhr
Ohne ein weiteres Wort über den Fall zu verlieren, fuhren sie nach Bad Wiessee, stellten dort Ankes Wagen ab und setzen die Fahrt in Querchers Benz fort. Quercher wollte nach Tegernsee. Das dortige Herzogliche Bräustüberl war bekannt für seinen Schweinebraten und ein vorzügliches Bier. Seit Langem verspürte Quercher wieder einmal Lust auf ein derartiges Essen.
Hannah lachte, als sie in die Gewölbe des Klosteranbaus eintraten und ihr Quercher einen Platz an einem langen Tisch anbot. Schmunzelnd meinte sie, dass sich hier ihre Vorstellung deutscher Gemütlichkeit erfülle. Dann betrachtete sie die Wandmalereien, die auf Fässern reitende Betrunkene zeigten, schaute scheu zu einem Stammtisch der örtlichen Handwerker, die dröhnend in einer ihr scheinbar fremden Sprache redeten. Dicke Frauen servierten goldgelbes Bier in großen Gläsern. Menschen beugten sich über gigantische Portionen glänzenden Fleisches in brauner Sauce.
»Schweinsbraten mit Kartoffelknödel. Köstlich und fettig. Wie alles hier«, grinste Quercher. »Wonach ist dir?«
Sie sah in die Karte, blickte herum, um zu sehen, was all die anderen aßen, und beugte sich über den Tisch. »Fettig, köstlich und garantiert nicht asketisch will ich es«, flüsterte sie Quercher ins Ohr.
Er bestellte den Schweinsbraten.
Es war absurd und sicher machte er gerade einen Fehler. Aber er fühlte ein warmes Gefühl von Leichtigkeit in sich aufsteigen. Hannah hatte sich in seine Traurigkeit gezwängt und sie beiseitegedrückt.
Hannah war begeistert von diesem Ort. »In den USA regiert in meinen Kreisen die Gesundheitsreligion. Du musst als Frau Size Zero tragen, kein Gramm Fett darf an deinem Körper zu sehen sein. Hier macht sich kein Mensch darüber Sorgen. Ich sehe nur zufriedene Gesichter.«
Quercher wog den Kopf. »Ich muss dir nicht sagen, dass ich als Polizist erfahrungsgemäß andere Eindrücke dieser Gesellschaft habe. Aber im Großen und Ganzen stimmt es. Die meisten hier wollen nur ihr kleines Leben leben. Lieben, Kinder bekommen, ein bisschen Sicherheit und einen anständigen Schweinsbraten essen.«
Dieser wurde soeben von der hünenhaften Kellnerin vor Hannahs großen Augen abgestellt.
»Das kann ich nicht allein essen.«
»Ich helfe dir dabei«, meinte Quercher.
Sie grinste. »Bist du hinter diesen dreien auch her, weil sie das Tal verschandeln wollen? Ich meine, es hat ja auch seine Vorteile, wenn sich nichts ändert. Sonst wäre das alles zugebaut. Wie in anderen Regionen. Ist das dein Antrieb, dass die drei deine Heimat nicht zerstören sollen?«, fragte sie plötzlich und versuchte, gegen den Lärm der Gäste anzureden.
Er ließ sich Zeit mit der Antwort. »Weißt du, Hannah, ich glaube, dass der See und das Tal hier so etwas wie ein Paradies sein können. Es ist zu fast jeder Jahreszeit wunderschön. Es gibt durchaus vernünftige Menschen, die von diesem Ort sagen, dass er besondere Schwingungen habe. So ein Tal hat ja auch etwas von Geborgenheit, von Schutz. Aber es gibt eben auch solche Eingeborenen.« Er deutete auf den Stammtisch. »Die dort zum Beispiel. Die wollen keine Veränderung. Die granteln, reden klug daher. Aber nie würden sie Prosperität und neue Ideen zulassen. Das Geld der Gäste nehmen sie, aber tief im Innern verachten sie sie und jammern. Sie benehmen sich wie fette Katzen. Die Dörfer um den See herum kooperieren nicht. Ja, und dann sind da die Zugezogenen, die hierherkommen und alles so lassen wollen, wie es ist. Weil sie es so ja schließlich in Form eines Landhauses gekauft haben.«
»Aber es ist doch alles schön, warum willst du das verändern? Können Dinge nicht auch mal so bleiben, wie sie sind?«, fragte Hannah.
»Im Norden des Sees, wo wir mit dem Benz auf den See gerutscht sind, da steht Gut
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