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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Calsow
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Immobilien oder investierten über Strohmänner in Firmen, die nach dem Krieg erfolgreich am Wiederaufbau mitwirkten. Gehlen wollte diese Experten und das Vermögen quasi als ›eiserne Reserve‹ haben. Riegers Vater, ein Altnazi und versierter Kaufmann, gründete eine Firma, die sich darauf spezialisierte, diese Aktivitäten zu decken. Über die Jahre wurde das einst jüdische Vermögen in deutsche Firmen investiert und konnte kaum zurückverfolgt werden. Wie das genau passierte, weiß ich nicht. Aber Ihr Herr Rieger und einige mehr haben da schwer mitgeholfen. Sie müssen extrem vorsichtig agieren. Das ist alles noch sehr heiß. Das Netzwerk dürfte noch heute in wesentlichen Teilen bestehen. Ende der Siebziger bekam ein deutscher Historiker schon einmal einen Tipp aus Kreisen des DDR-Geheimdienstes. Er recherchierte unter anderem in den USA bei dem Industriellen Kürten. Der starb aber kurz vor dem Interview und das Projekt verlief im Sande. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen. Sonst wäre hier schnell Schluss mit Forschung. Viel Glück.«
    Quercher wurde blass, seine Gedanken rasten. Welche Rolle spielte Hannah, die Enkelin des SS-Soldaten Hans Kürten, in dieser Geschichte? Warum war sie wirklich nach Deutschland gekommen?
    Rieger begrüßte Quercher mit einem einnehmenden Lächeln. »Ich habe alles dabei. Ein Anruf bei Ihrer Behörde und schon kannte ich Ihre Schuhgröße. Die Skier sind völlig neu, gut gewachst. Handschuhe und Stöcke sind ebenfalls da. Es kann losgehen, oder?«
    Quercher nickte und wollte in den Wagen einsteigen.
    Aber Rieger schüttelte den Kopf. »Nein, Herr Quercher. Ein Tag wie dieser ist ideal für den da.« Rieger zeigte auf den See.
    Quercher war nicht überrascht, dass Rieger ihn mit solchen Kleinigkeiten wie seiner Schuhgröße beeindrucken wollte. Das machten die Dienste nun einmal so, und er hätte genau das Gleiche getan. Was ihn sorgte, war, dass er mit jemandem wie Rieger auf dem zugefrorenen See laufen sollte. Wusste der, dass sein Vater irgendwo hier unten lag und dass Quercher seitdem diesen Ort voller Angst mied? Dann hatte er wirklich gründlich recherchiert. Quercher ließ sich nichts anmerken, wechselte die Schuhe, marschierte mit Rieger los. Sie kamen an der alten Klosteranlage und der barocken Kirche vorbei – Symbol der katholischen Eintracht aus Saufen und Sündigen, Beten und Beichten. Nach wenigen Schritten erreichten sie die Uferzone, wo schon jetzt viele Menschen auf das Eis gingen. Quercher war seit Ewigkeiten nicht mehr langgelaufen. Zudem hatte er schon ein Bier getrunken. Er hakte seine Schuhe in die Skier und suchte, etwas steif in der Hüfte, nach Halt und Gleichgewicht.
    Wenig später standen sie in zwei Loipen, die bereits andere Langläufer gezogen hatten, und glitten über den See. Das anfängliche Schmerzen in den so lange nicht beanspruchten Muskeln wich einer Wärme, die Quercher gefiel. Trotz der Bewegung hatte er genug Luft zum Reden. Rieger war ebenfalls nicht außer Puste. Doch bislang glitten sie stumm nebeneinanderher und querten den See in Richtung Ringseebucht. Das Eis schien fest zu sein. Auch wenn die meisten Menschen sich nur wenige Meter vom Ufer entfernt auf bereits von Eishockeyspielern geräumten Flächen aufhielten, wirkte die Eisdecke auf Quercher meterdick. Der Schnee darauf war bestimmt zwanzig Zentimeter hoch, fein und nicht nass. Sie kamen gut voran. Rechter Hand vor ihnen befand sich Bad Wiessee. Im Süden lag Egern in der Sonne des Nachmittags. Alles glitzerte und funkelte. Wurden sie anfangs noch von anderen Langläufern begleitet, waren sie bald allein, als sie die Mitte des Sees erreichten.
    Rieger hielt inne. »Sie versuchen, es zu verbergen. Aber Ihre Heimat schlägt Sie noch immer in den Bann.«
    Quercher stützte sich auf seine Stöcke und lächelte. »Sie müssen mich nicht überzeugen. Das ist Gottes Land. Nur die ›Insassen‹ haben selten etwas Göttliches.«
    Rieger lachte. »Maximilian Quercher, für einen LKA-Mitarbeiter mit Anteilen an einem syrischen Restaurant sind Sie entspannt und fröhlich.«
    Woher wusste er das schon wieder? Quercher nahm sich vor, ruhig zu bleiben.
    Der Alte lachte immer noch. »Keine Angst. Ich will mein Wissen über Sie nicht zu einem Gegenstand der Erpressung machen.«
    Aus Riegers Mund strömten stoßweise Atemwolken. Ihm war bestimmt auch warm, dachte Quercher. Sie glitten weiter. Quercher konnte die kleine Insel, die einer südwestlich gelegenen Bucht des Sees vorgelagert war,

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