Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
könnte der Schlüssel sein zu allem, was hier passiert ist. Und eigentlich wollte ich sowieso mit ihm reden. Viele Hinweise führen zu ihm. Er ist allerdings sehr gut informiert über uns und wohl auch über unsere Absichten. Das macht mir Sorgen. Das heißt, er agiert nicht allein.«
Hannah nickte. »Wer ist dieser Rieger?«
»Er war wohl mal bei unserem Geheimdienst. Heute ist er aber nur noch ein Pensionär. Und genau das macht mich stutzig. Was will ein pensionierter Spion von mir?«
Sie sah ihn besorgt an. »Warum wusste er, dass wir hier sind? Warum kannte er mich?«
Quercher kramte in seiner Tasche, zog seinen Schlüsselbund hervor, nahm einen seiner beiden Autoschlüssel ab und legte ihn Hannah auf den Tisch.
»Nimm den Schlüssel und fahr nach Wiessee. Unser gemeinsamer Unfall hat den Wagen nur verbeult. Du kannst ihn entspannt fahren. Hol bei Anke Sachen für eine Schneewanderung. Meine Schwester weiß schon, was sie einpacken muss. Der Weg zu ihr ist einfach. Du kannst nichts falsch machen. Es ist gut ausgeschildert. Hinter dem Feuerwehrhaus links abbiegen und dann immer geradeaus. Das Schützenstüberl ist auf der linken …«
Hannah verdrehte die Augen.
Quercher hob beschwichtigend die Hände. »Nicht alle deine Geschlechtsgenossinnen …«
Sie schlug auf seinen Arm und schien wieder entspannter zu sein. »Chauvi, pass bloß auf, dass du nicht auf deine arrogante Nase fällst.«
Sie lachten. Während Hannah noch einmal auf der Toilette verschwand, zahlte Quercher und schob sich aus dem Gedrängel zwischen den Tischen hindurch nach draußen in die Kälte. Er brauchte noch mehr Informationen, wenn er sich mit Rieger messen wollte. Der alte Mann musste warten.
Rieger stand neben einem Geländewagen und winkte. Quercher stapfte durch den Schnee und deutete ihm mit einer Handbewegung an, dass er noch etwas aus dem Auto holen müsste. Rieger nickte und setzte sich in seinen Wagen. Quercher schritt auf sein Auto zu, schlug, kaum war er aus Riegers Blickfeld verschwunden, einen Haken und verschwand knapp zehn Meter entfernt hinter einem Reisebus aus Leipzig. Hektisch tippte er auf sein Smartphone ein und erreichte sofort das Büro.
»Pollinger.«
»Hier ist Max. Ich brauche deine Hilfe. Wer kann mir noch mehr über Rieger und seine Verbindungen hier im Tal verraten? Ich brauche diese Info schnell, sehr schnell, wenn dir an der Aufklärung etwas liegt«, stieß Quercher eilig hervor.
Pollinger reagierte sofort. »Ich kenne jemanden. Das ist der Leiter der Historikerkommission, die im Auftrag der Bundesregierung die Arbeit des BND in der Nachkriegszeit untersucht. Der Typ ist gut, sehr gut. Lass mich kurz mit ihm telefonieren. Er wird dich dann anrufen. Gib mir zwei Minuten.«
Der LKA-Direktor legte auf. Quercher lugte hinter dem Reisebus hervor und sah zu Riegers Auto. Der war wieder aus dem Wagen ausgestiegen und schien seine Skier zu präparieren. Dann sah Quercher Hannah. Sie blieb kurz auf der Treppe des Bräustüberl stehen und schaute sich um. Anschließend stieg sie in Querchers Auto, ohne ihn hinter dem Bus gesehen zu haben. Querchers Telefon brummte.
»Was kann ich für Sie tun?« Die Stimme am anderen Ende klang jung, fast mädchenhaft.
Quercher sagte nicht einmal guten Tag. Ihm rannte die Zeit davon. »Ich bin auf der Suche nach einem Mann namens Rieger. BND-Offizier. Hohes Tier. Ich will etwas über seine Verbindungen am Tegernsee wissen. Vertraulich. Aber wichtig. Da könnte etwas für Sie …«
»Moment.« Der junge Mann schien etwas nachzusehen. Ein Räuspern. »Was ich Ihnen jetzt erzähle, ist als geheimnisrelevant klassifiziert. Ich darf es Ihnen nicht sagen. Aber Sie haben ja einen Eid auf unsere Verfassung geschworen. Und Herr Pollinger bürgt für Sie.«
Quercher lächelte, ließ diese Aussage aber so stehen. Der Junge klang nicht so, als ob er das tatsächlich ernst meinte. Vielmehr musste Pollinger wirklich ein sehr gutes Wort für ihn eingelegt zu haben.
»Nach dem Krieg, also dem letzten, hatte Reinhard Gehlen, der erste Chef des Bundesnachrichtendienstes, mehrere ehemalige Nazis quasi ›geparkt‹. Dies tat er auf Weisung der Bundesregierung. Man wollte sie nicht den Besatzungsmächten ausliefern. Ihr Wissen war scheinbar so brisant, dass man es für sich nutzen wollte. Diese Gruppe hatte erhebliche Goldreserven und andere Guthaben aus den Raubzügen der Nazis über den Krieg gerettet. Sie konnten das Geld allerdings nicht im großen Stil ausgeben. So erwarben sie
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