Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Strom durch sie hindurch.
»Gut. Je mehr Sie sich aufregen, desto schneller verteilt sich das Gift in Ihrem Körper. Das ist der Punkt, mit dem ich beginnen möchte, der positive Teil sozusagen. Ich habe Sie sediert. Das heißt, Sie sind temporär gelähmt und betäubt und spüren keinerlei Schmerzen. Alles rauscht an Ihnen vorbei. Sie könnten nun zu Recht einwenden, dass ich keinerlei medizinische Ausbildung besitze. Aber ich habe diverse Sanitätslehrgänge absolviert. Sie sind also in professionellen Händen. Nun aber die schlechte Nachricht. Sie werden sterben. Wie, ist jetzt unwichtig. Sie haben keine Chance. Ja, ich sehe, das regt Sie auf.«
Der Mann hatte Arzu mit einem EKG-Gerät verbunden. Es piepste laut und gab den Herzschlag wieder.
»Aber, wenn Sie mir ein paar Fragen zufriedenstellend beantworten, kann Ihr Kind leben. Ich sage bewusst ›kann‹. Sie wissen, wir Männer wollen nie etwas endgültig versprechen. So viele Dinge können schieflaufen. Ich beschreibe es Ihnen: Ihre Plazenta wird eine Insuffizienz erleiden. Details müssen Sie nicht belasten. Sie werden vergiftet. Ihre Nieren kollabieren. Sie sterben. Aber den kleinen Körper schneide ich, wenn ich rechtzeitig zugegen bin, in einer Notoperation heraus. Vorher muss ich jedoch ein paar Fragen loswerden. Einverstanden?«
Sein Gesicht war jetzt ganz nah an ihrem Ohr. Sie roch alles deutlich intensiver. Sein Rasierwasser stach scharf in ihrer Nase. Arzu krächzte.
»Ich nehme das als ein Ja. Fangen wir an: Ihr Vorgesetzter Maximilian Quercher will sich heute um 15.30 Uhr in Wildbad Kreuth mit der Ehefrau meines Freundes Josef Schlickenrieder treffen. Stimmt das?«
Arzus Hirn war wie ein waberndes Stück Lava. Alles wankte. Sie konnte sich kaum konzentrieren. Sie wollte nicht Ja sagen, aber es gab keine Schranke, keinen Widerstand, es nicht zu tun. Sie nickte. Seine Hand streichelte ihre Wange. »Sehr gut. Hat der Herr Quercher seine neue Freundin Hannah Kürten dabei?«
Sie hatte keine Ahnung, aber sie nickte.
»Hat er eine Waffe?«
Sie nickte noch einmal.
»Weiß der Herr Quercher, was die Elli ihm geben möchte?«
Langsam und nur wenige Zentimeter schüttelte sie den Kopf.
»Das war es schon. Tat gar nicht weh. Heute Nacht werden Sie schon wieder bei Ihrem Herrn Quercher sein. Und wenn Sie Glück haben, gibt es eine Hölle für reiche Enkelinnen und da wird dann Frau Kürten weilen. Ich werde mich jetzt umziehen. Es soll schneien. Und Sie werden gleich sterben.«
Kapitel 35
Wildbad Kreuth, Mittwoch, 20. 12., 15.05 Uhr
Während der Fahrt nach Kreuth erzählte Quercher Hannah von den Schüssen auf der Ringseeinsel. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie vielleicht nur mir galten. Vielleicht war der tödliche Treffer von Rieger ein Versehen. Jedenfalls wissen der oder die Täter, wo wir sind, mit wem wir uns treffen und was wir hören wollen. Und sie haben keinerlei Skrupel. Rieger hatte mir noch angedeutet, dass der Tod von Birmoser kein Unfall gewesen sei. Und dass der Schlickenrieder da mit drinhänge.«
Hannah sah ihn skeptisch an. Ihre Finger zitterten. Auch wenn sie es nicht zeigen wollte, nahmen sie die Geschehnisse sehr mit.
Quercher zündete sich nach diesem Schock eine Zigarette an und versuchte dann, Pollinger anzurufen. Der aber hatte sich abgemeldet. Quercher dachte an Rieger, der jetzt tot und kalt im Schilf des Tegernsees lag. Und verstreut um ihn herum lagen so viele Beweise für Querchers Anwesenheit, dass ihm schlecht wurde bei der Vorstellung, das erklären zu müssen. Er war mit einem Hauptverdächtigen beim Langlauf gewesen. Bei Semmeln und Tee hatte der leider einen Schuss in den Kopf bekommen. Er hatte ihn dann liegen gelassen und war entspannt zu seinem nächsten Zeugen gefahren.
»Enden deine Befragungen immer so?«, versuchte Hannah, einen Witz zu machen.
Er konnte nicht lachen. Stattdessen wollte er Hannah küssen, aber sie wehrte ab. Nach dieser Aktion war ihr nicht danach, wie sie sagte.
Hannah parkte den Mercedes neben dem herrschaftlichen, in einem müden Gelb gehaltenen Gutshof im Ortsteil Kreuth. Hier, im Tageszentrum der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung, führte die CSU einmal im Jahr ihre Tagungsshow auf. Lumpi sprang freudig aus dem Wagen hinaus, schnupperte am erstbesten Baum und lief schwanzwedelnd und mit hoch erhobenem Kopf umher. Hannah hatte tatsächlich bei Anke die Kleidung und Ausrüstung für eine Schneewanderung geholt. Quercher war erstaunt über die modernen Jacken, Stulpen
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