Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
heraus und drapierte sie der Reihe nach auf den Tisch.
»Elli, was machst du, wenn wir hier fertig sind?«, fragte Quercher leise und besorgt. »Du musst doch wieder in ärztliche Behandlung.«
Elli lächelte bitter. »Um neunzehn Uhr geht vom Innsbrucker Flughafen ein Flieger nach Wien. Dann geht’s weiter nach Indien. Der Rest wird sich ergeben.«
Quercher wollte etwas erwidern, aber sie hob nur müde die verbundene Hand. »Versuch erst gar nicht, mich umzustimmen. Ich bin hier fertig.« Sie drückte eine Pille aus einem Blister und schluckte sie, ohne etwas zu trinken, hinunter. »Ich habe wenig Zeit. Also, hört bitte gut zu.«
Quercher und Hannah nickten.
»Ich will euch nicht all diese Papiere erklären. Dafür fehlt die Zeit. Und ich habe auch nicht den gesamten Überblick über die Verbindungen meines Mannes, seiner Freunde und seiner Geschäftspartner. Aber so wie ich es nach all den Jahren verstehe, soll der Ort Bad Wiessee schlicht übernommen werden. Die drei, der Josef, der Stangassinger und der Brunner, sind doch nur die Marionetten vom Rieger. Der hat sie vorgeschickt mit diesem Riesenprojekt Sol . Sol ist ein Immobilienfonds. Der wird von verschiedenen Personen gehalten. Ein echter Schmarrn. Viel zu groß und überdimensioniert für einen so kleinen Ort. Aber mir hatte der Josef eine Yogaschule versprochen. Und das hat mich stumm gemacht – all die Jahre. Ich habe dieses Dreckssystem unterstützt, dem Josef habe ich seine Buchhaltung gemacht, alle Schwarzgelder gingen über meinen Tisch. Anfangs haben wir das noch unter dem Bett aufbewahrt. Dann hat uns der Brunner auf die Idee mit dem Sol -Projekt gebracht. Max, ich hänge da auch mit drin. Dafür habe ich aber jetzt bezahlt.« Sie zeigte auf ihr Gesicht. »Der Großvater von Josef hat Grundstücke in Wiessee. Die hat er gehütet wie einen Schatz. Stirbt der Alte, bekommt Josef die Grundstücke endgültig. Die wiederum verkauft er an die Immobiliengesellschaft, erwirbt so Rechte und Anteile und kann dann bald mit der Rendite unser … sein verhasstes Elektrogeschäft aufgeben. So ist der Plan. Mit den Grundstücken ist es aber so, dass sie nicht rechtens erworben worden sind. Josefs Großvater hat sie damals von dem alten Kürten, Ihrem Großvater, gekauft – woher er das Geld hatte, weiß ich nicht. Der Alte ist ja nicht Josefs leiblicher Großvater. Er kam nach Ende des Krieges hier in den Ort. Meine ›Schwiegergroßmutter‹ suchte einen Mann für das Geschäft. Josefs leiblicher Großvater war im Krieg gefallen. Der alte Schlickenrieder heiratete die Großmutter, übernahm das Geschäft und adoptierte Josefs Vater. Der wiederum hat sich vor Jahren totgesoffen. Nur der Alte lebt noch. Aber genau das macht Josef zu schaffen: Einerseits stirbt der Alte nicht, andererseits könnte jemand fragen, woher das Geld für die Grundstücke kommt. Und ausgerechnet da gräbt der junge Birmoser die Leiche von Ihrem Großvater aus …«
Sie sah zu Hannah. Die schwieg.
»Jedenfalls muss bis Ende des Jahres, also in elf Tagen, das Geld für die Anteile auf ein Treuhandkonto überwiesen werden. Alles liegt bereit. Der Alte will eben nur nicht sterben.«
Quercher sah Elli fragend an. »Meinst du, dein Mann hat etwas mit dem Tod des jungen Birmosers zu tun?«
»Er war in dieser Nacht daheim. Allerdings müsste ich das bezeugen.« Sie dachte einen Moment nach. »Ich will ihm nichts anhängen, was er nicht getan hat. Er hat genug Dreck am Stecken. In der Zeit, als das Projekt anlief, da hat er Leute unter Druck gesetzt. Zusammen mit diesem Typen aus Gmund.«
Quercher hakte ein. »Was ist das für ein Typ?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ein ehemaliger Elitesoldat der Bundeswehr, der für Rieger arbeitet. Seit zwei Jahren lebt er in Gmund auf einem alten Bauernhof. Ich weiß das, weil die Elektroarbeiten, die Josef dort gemacht hat, vom Rieger bezahlt wurden.«
Quercher stutzte. War das etwa der Mann, der auf Rieger geschossen hatte? Aber warum sollte der ausgerechnet seinen Auftraggeber ermordet haben?
»So hat der Rieger alle still bekommen, vor allem die Handwerker. Der alte Birmoser hat nur Aufträge vom Rieger für Häuser im Tal angenommen. Nichts anderes. Josef eigentlich auch. Diese Abhängigkeiten gehen weit in die Gemeinderäte hinein. Da ist ja jeder zweite Gastronom oder Handwerker. Die profitieren alle von diesem Projekt. Ihr müsst wissen, dass schon jetzt einige Handwerker, die Rieger in seinen Häusern beschäftigt hat, über sehr
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