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Querschläger

Querschläger

Titel: Querschläger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Roth
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zwei weitere Reihen parkender Autos angeschlossen, sodass der Wagen nun nicht mehr wie bei ihrer Ankunft in zweiter, sondern in vierter Reihe stand. Etwas, das einen im Dunkeln durchaus irritieren konnte.
    Sie zwängte sich zwischen zwei annähernd gleichfarbigen Audis hindurch und wollte eben ihre Autoschlüssel aus der Tasche ihrer Glitterjeans zerren, als sie hinter sich ein Geräusch hörte. Sie hatte keine Ahnung, was es war, aber nichtsdestotrotz versetzte es sie augenblicklich wieder in einen Zustand erhöhter Alarmbereitschaft. Von einem Moment auf den anderen schlug ihr Herz wie wild, sogar noch schneller als vorhin im Klub, und sie dachte daran, dass das Handy, das man ihr für ihren Einsatz als Flittchen geliehen hatte, irgendwo in Auerbachs Aktentasche stecken musste. Ihr eigenes lag zu Hause in ihrem dreiunddreißig Quadratmeter kleinen Apartment, zusammen mit ihrer Dienstwaffe, was bedeutete, dass alles, was sie im Augenblick hatte, ein Autoschlüssel und die Brieftasche mit ihren Papieren war. Nicht allzu viel, um sich gegen einen möglichen Angreifer einigermaßen effektiv zur Wehr zu setzen. Oder besser: erbärmlich wenig. Winnie Heller merkte, wie sie trotz der lauen Temperaturen zu frösteln begann. Das Nächste, was sie dachte, war, dass jemand, dem sie zufällig begegnete, ihren Aufzug missverstehen könnte. Dass sie mit den Glitterjeans und dem kräftigen Icepink auf ihren Lippen wie eine billige kleine Nutte wirken musste.
    Sie dachte auch daran, stehen zu bleiben, sich umzusehen und das Terrain zu sondieren, der Gefahr, so es sie denn gab, ins Auge zu sehen, um gegebenenfalls Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Aber es waren nur noch wenige Meter bis zu ihrem Wagen. Den Schlüssel ins Schloss, einsteigen, die Tür hinter sich zuknallen und auf den Knopf für die Zentralverriegelung drücken. Alles in allem eine Sache von Sekunden.
    Ein paar trockene Blätter huschten raschelnd über den brüchigen Asphalt zu ihren Füßen, und von irgendwo her drangen Stimmen an ihr Ohr. Jugendliche auf dem Weg in eine Disco oder Bar. Im Weitergehen registrierte Winnie Heller, dass sich die Stimmen von ihr entfernten. Woher sie gekommen waren, vermochte sie nicht zu sagen. Eines der Mädchen kreischte. Vielleicht, weil ihm jemand zu nahe gekommen war. Vielleicht auch einfach, weil es Spaß hatte. Wer konnte das so genau sagen in Zeiten wie diesen?
    Der Stoß kam angesichts des unguten Gefühls, das noch immer in ihr wühlte, eigentlich nicht unerwartet. Trotzdem nahm seine Wucht ihr für ein paar endlose Sekunden buchstäblich den Atem. Etwas brannte in ihrer Speiseröhre, und ihre Lungen fühlten sich an, als seien sie von jetzt auf gleich bis zum Rand mit hochprozentigem Alkohol gefüllt.
    Winnie Heller taumelte vorwärts gegen die Motorhaube des nächsten parkenden Autos, sie spürte Blech, das unter ihrem Gewicht nachgab, und eine Hand, die sich von hinten auf ihren Mund legte.
    Ich hätte schreien können, schoss es ihr durch den Kopf, als sich die fremden Finger tief in die Haut ihrer Wange gruben. Für einen kurzen Augenblick hatte ich die Gelegenheit, zu schreien. Jemanden auf mich aufmerksam zu machen. Auf das, was mir …
    Sie stöhnte laut auf, als ein dumpfer Schlag sie gegen den Hinterkopf traf.
    Das Bild von rotem Lack, das noch immer vor ihren Augen schwebte, zerstob in tausend Stücke, und sie sah Funken. Lichtblitze. Bunte eigenartigerweise, nicht nur rote. Dann verlor sie das Bewusstsein.
    6
    Silvie Verhoeven saß im Wohnzimmer des hübschen Einfamilienhauses, das sie sich vor ein paar Jahren gekauft hatten, und begrüßte ihren Mann mit einem angedeuteten Kuss, wobei sie angesichts des Telefonhörers in ihrer Hand entschuldigend mit den Schultern zuckte. Sie trug ein brombeerfarbenes Negligé über einem gleichfarbigen Nachthemd mit Spitzenbesatz und sah trotz der vorgerückten Stunde so frisch aus, als sei sie eben erst gut erholt dem Bett entstiegen.
    »Ja, das ist wirklich ganz phantastisch«, sagte sie und verdrehte die Augen in Richtung ihres Mannes, offenbar um anzudeuten, dass ihr die späte Störung ebenso unlieb war wie ihm. »Dann hättet ihr auch wieder mal ein bisschen …« Ihre warme Stimme erstarb mitten im Satz, und sie hörte eine Weile schweigend zu, während ihre hübsch geschwungenen Lippen den Namen ihrer Schwester formten.
    Verhoeven ließ sich in einen der Sessel fallen und starrte auf das düstere Ölgemälde an der gegenüberliegenden Wand. Das Bild war ein

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