Querschläger
Diplompädagogin mieten. Die stehen zu Hunderten auf der Straße und werden bestimmt sogar mit Madeleines gut erzogenen Blagen fertig.«
»Und warum nimmt Tante Madeleine ihre Blasen nicht einfach mit?«, schlug seine Tochter hilfsbereit vor.
»Verdammt gute Frage, mein Schatz«, lobte Verhoeven.
Und auch seine Frau konnte sich das Lachen nicht länger verkneifen. »Weil die Blasen in die Schule müssen.«
»Bei all der Begabung, die die Gene deiner Schwester zweifellos über sie ergossen haben, sollten sie es sich doch wohl leisten können, ein paar Tage zu fehlen«, widersprach Verhoeven.
»Madeleine ist in diesen Dingen sehr pflichtbewusst«, erwiderte Silvie mit einem leisen Stöhnen, an dem sich ablesen ließ, dass ihr die Sache selbst immer weniger gefiel. »Und außerdem hat Paola in dem bewussten Zeitraum ein Turnturnier in Walluf.«
»Ein was?«
»Ein Turnturnier.«
»Was für ein hübsches Wort.«
»Nicht wahr?« Sie kicherte vergnügt vor sich hin. »Da müsstest du sie dann natürlich hinfahren.«
Verhoeven nickte. »Klar doch.«
»Fein. Dann kann ich meiner Schwester also zusagen?«
»Nein.«
Silvie verdrehte die Augen. »Hendrik!«
»Was denn?«, gab er zurück.
»Immerhin ist sie deine Schwägerin, und es könnte durchaus möglich sein, dass wir uns irgendwann einmal in einer ähnlichen Lage befinden und Madeleines Hilfe benötigen. Und deshalb …«
»Bevor ich unsere Tochter auch nur einen einzigen Tag in die Obhut deiner Schwester gebe, friert die Hölle ein«, unterbrach Verhoeven sie mit Nachdruck. »Eher adoptiere ich Dominik Fett-Semper.«
»Rieß-Semper«, protestierte seine Tochter empört, und auch Silvie, die sich gerade anschickte, das abgegessene Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen, bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. »Dominiks Nachname ist Rieß-Semper«, wiederholte Nina, »aber seine Mama heißt nur Rieß.«
»Warum?«, erkundigte sich Verhoeven aus reiner Verlegenheit über den Sturm der Entrüstung, den seine Bemerkung ausgelöst hatte.
»Warum was?«, fragte Nina.
»Warum heißt Dominiks Mutter nur Rieß?«
»Lenk jetzt nicht ab, Hendrik«, rief Silvie von der Spülmaschine, doch glücklicherweise schien Nina ernsthaft über seine Frage nachzudenken.
»Dominiks Papa heißt auch Rieß-Semper«, murmelte sie nachdenklich vor sich hin. »Aber Frau Rieß heißt nur Rieß.«
»Dominiks Mutter ist eine von diesen ökologisch-dominanten Schnepfen, die darauf bestehen, dass ihre Ehemänner ihre Nachnamen tragen und regelmäßig exakt die Hälfte des Mülls rausbringen«, erklärte Silvie, der die Sache entschieden zu lange dauerte. »Aber zurück zu Madeleine …«
»Was ist öh-kolo … Was ist das?«, krähte Nina dazwischen, und Verhoeven hätte seine Tochter am liebsten geküsst für ihre Beharrlichkeit.
»Umweltbewusst«, entgegnete seine Frau, ohne ihn aus den Augen zu lassen, doch so leicht ließ sich ein fünfjähriger Forschergeist nicht abspeisen.
»Nein, das andere.«
»Was meinst du?«
»Das andere Wort, das du gesagt hast.«
»Ich glaube, was sie meint, ist dominant«, merkte Verhoeven mit einem überaus unschuldigen Lächeln an.
Seine Tochter nickte. »Genau. Dominant.«
»Das wird dir dein Vater erklären, gleich nachdem er sich entschlossen hat, deine Cousins und deine Cousine bei uns aufzunehmen«, entgegnete Silvie zuckersüß.
Verhoeven seufzte. »Über welchen Zeitraum sprechen wir hier?«
»Sagte ich das nicht?«
»Nein.«
»Eine Woche.«
»Oh nein«, widersprach er mit Nachdruck, »so lange dauern solche Kongresse nicht!«
»Herrgott, sie möchten einfach noch ein paar Tage Badeurlaub dranhängen.« Silvies tiefdunkelblaue Augen nahmen einen geradezu beschwörenden Ausdruck an. »Und ich hatte wirklich den Eindruck, dass sie mal ein bisschen Zeit für sich brauchen.«
Verhoeven horchte interessiert auf. »Sag nur, die Ehe des Jahrtausends steckt in einer Krise?«, erkundigte er sich begierig, doch seine Frau dachte nicht im Traum daran, seine Frage zu beantworten.
»Ja oder nein?«, insistierte sie stattdessen.
»Nur, wenn du unserer Tochter die Bedeutung des Wortes dominant erklärst«, versuchte Verhoeven, sich das offenkundig Unausweichliche wenigstens noch mit einem winzigen Teilerfolg zu versüßen.
»Das ist Erpressung«, protestierte seine Frau lachend. »Tja«, sagte er. »Du hast die Wahl …«
2
Der freie Tag lag vor Winnie Heller wie ein weitläufiger Platz voller Menschen, den sie
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