Querschläger
»Seit wann verstehst du was von Fischen?«
»Tue ich nicht.« Verhoeven zuckte die Achseln. »Aber ich habe mit Winnie gesprochen und …«
Silvie horchte auf. »Ach, seid ihr jetzt endlich per Du?«, unterbrach sie ihn, indem sie triumphierend gegen die Tischkante schlug. »Das wurde aber auch wirklich höchste Zeit. Ich meine …«
»Frau Heller und ich siezen uns nach wie vor«, beeilte sich Verhoeven klarzustellen. »Aber sie besitzt ein Aquarium, wie du weißt, und könnte uns bei der Auswahl geeigneter Bewohner für unseren Teich ganz sicher ein bisschen beraten.«
Die Lippen seiner Frau verzogen sich zu einem sehr anziehenden Schmunzeln. »Und dieser ganze Plan«, sagte sie mit einer umfassenden Geste, bevor sie sich mit hoch konzentrierter Miene eine zweite Tasse Kaffee einschenkte, »ich meine, dieser See und all das … Das hat nicht zufällig etwas mit der Tatsache zu tun, dass Rieß-Sempers Dominik ein Aquarium zum Geburtstag schenken wollen?«
Ertappt!, dachte Verhoeven unbehaglich, wobei er sich nach außen hin um einen gänzlich neutralen Gesichtsausdruck bemühte. Der dicke Kindergartenfreund seiner Tochter war ihm von jeher ein Dorn im Auge, vielleicht, weil Dominik ein Junge war, über den Nina sich – entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit – ausnahmslos positiv äußerte. Hinzu kam, dass sie in den letzten Monaten zunehmend mehr Zeit im Haus der Sempers verbrachte, was Verhoeven, das musste er zugeben, mit einem Gefühl der Eifersucht erfüllte. Von dem besagten Aquarienplan hatten sie hingegen erst in der vergangenen Woche erfahren, als sie den Eltern von Ninas Kindergartenfreund auf einer Informationsveranstaltung des Kindergartens zum Thema »Englisch im Vorschulalter – Chance oder Bildungswahn?« begegnet waren. Und im Gegensatz zu Silvie, die Theophila und Adrian Rieß-Semper bereits bei verschiedenen anderen Gelegenheiten getroffen hatte, war es Verhoevens erste Begegnung mit Dominiks Eltern gewesen, im Zuge derer er zu dem Schluss gekommen war, dass er die Sempers nicht mochte. Seine Frau zog ihn deswegen auf und behauptete, er übertrage eine vollkommen irrationale, da gänzlich unbegründete und genau aus diesem Grund absolut kindische Antipathie gegen einen dicken, nunmehr knapp sechsjährigen Jungen auf dessen in ökologischen Fragen zugegebenermaßen etwas radikale, aber ansonsten absolut unbedenkliche Eltern – ein Argument, dem Verhoeven zu seinem größten Bedauern nur wenig entgegenzusetzen hatte, das ihm jedoch trotzdem nicht wirklich stichhaltig vorkam. Immerhin war er sechsunddreißig Jahre alt und Kriminalbeamter des gehobenen nicht technischen Dienstes, was nach seinem Verständnis der Welt im Grunde ausschloss, dass er sich zu überstürzten und noch dazu gänzlich unbegründeten Antipathien hinreißen ließ.
»Also, was ist nun?«, drängte Silvie auf der anderen Seite des Tisches. »Hat dieser See, den wir haben werden, etwas mit Dominiks künftigen Fischen zu tun oder nicht?«
»Nein«, erwiderte Verhoeven mit aller ihm zur Verfügung stehenden Würde. »Natürlich nicht. Warum sollte er?«
»Weil du den lieben kleinen Dominik ausstechen willst«, versetzte Silvie achselzuckend. »Weil du den Gedanken nicht erträgst, dass deine Tochter in Zukunft vielleicht noch öfter als bisher mit zu den Sempers möchte, weil es dort etwas Interessantes zu beobachten gibt. Weil du …«
»Unsinn«, unterbrach Verhoeven seine Frau halb im Scherz, halb ernst. »Ich fand es einfach reizvoll, einen Ort zu schaffen, der zu einer Oase der Ruhe werden könnte und der ganz nebenbei auch noch Libellen und Fröschen und anderen bedrohten Tierarten einen Lebensraum bietet.«
»Soso, Libellen, ja?« Silvie Verhoeven schenkte ihrem Mann ein überaus vielsagendes Nicken. »Na schön, dann schnapp dir in Gottes Namen einen Spaten und ein paar Meter Teichfolie und bau deine Oase. Und wenn es deine Dienstpläne gut mit dir meinen, wird sie ganz bestimmt in zwei oder drei Jahren fertig sein und ein paar erkundungsmutigen Libellenpaaren, falls es selbige dann noch geben sollte, einen wunderschönen Lebensraum bieten.«
»Was?«, wollte Nina wissen, die in diesem Augenblick in die Küche stürmte und sich umgehend auf ihren Platz an der Stirnseite des Tisches fallen ließ. Seit ein paar Tagen bestand sie mit Nachdruck darauf, sich selbstständig anzuziehen, was in der Sache zwar durchaus lobenswert, im Ergebnis jedoch nicht immer erfreulich war. An diesem Morgen hatte sie zum Entsetzen ihrer
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