Querschläger
der Spurensicherung durch den Spion nicht viel sehen konnte. Aber was fiel diesem Kerl eigentlich ein, hier aufzukreuzen und …
»Wir müssen reden, okay? Also mach gefälligst die Tür auf!«
Wie sich die Szenen doch gleichen, dachte Winnie Heller bitter. Erst gestern Abend hat Kevin Kurányi auf exakt dieselbe Weise an meiner Tür gerüttelt.
»Mensch, Mädchen, ich weiß, dass du zu Hause bist«, erklärte Lübke auf der anderen Seite des billigen Sperrholzes.
Nichts weißt du!, dachte Winnie Heller in plötzlicher Wut. Geh heim zu deinen Maden und deinem alten Flittchen und bau von mir aus ein paar Kleiderschränke, aber lass mich endlich in Ruhe!
»Ich mache mir Sorgen um dich«, bekannte Lübke, und etwas an seinem Tonfall gab Winnie Heller zu denken. »Also bitte, mach auf, ja?«
Sie schüttelte den Kopf und wich langsam von der Tür zurück, als ob es in ihrem dreiunddreißig Quadratmeter kleinen Reich tatsächlich einen Platz gäbe, an dem sie ihn nicht hören musste.
»Na schön, dann bleibe ich jetzt hier sitzen, bis du mir öffnest«, verkündete ihr ungebetener Gast unterdessen, und ein sonores Ächzen verriet, dass er es mit dieser Ankündigung ganz offenbar todernst meinte und sich irgendwo niedergelassen hatte, wahrscheinlich auf den Stufen der Treppe, die zu den beiden Mansardenwohnungen hinaufführte. »Es ist allerdings nicht besonders gemütlich hier draußen«, rief er, kaum dass er saß, »das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich anmerken.«
Winnie Heller konnte nicht umhin, seine Hartnäckigkeit zu belächeln.
»Wie wär’s wenigstens mit einem Kaffee?«, hörte sie ihn laut vor sich hin brummen. »Ich nehme ihn schwarz. Mit drei Stück Zucker. Aber das weißt du ja.«
Gütiger Gott, was sollen bloß die Nachbarn denken?, dachte Winnie Heller, indem sie sich einmal mehr fragte, wie Lübke überhaupt bis zu ihrer Wohnungstür vorgedrungen war. Immerhin war das hier ein anständiges Haus mit einer ordnungsgemäß schließenden Haustür, durch die mitnichten jeder hergelaufene Trottel einfach so hereinspazieren konnte. Dafür sorgte schon die allgegenwärtige Norma Estrich.
Ob Lübke von einem ihrer Nachbarn eingelassen worden war? Von jemandem, der das Haus verlassen hatte, um zur Arbeit zu fahren? Winnie Heller sah auf ihre Armbanduhr, die wenige Minuten vor elf zeigte. Dann ließ sie sich, wo sie gerade stand, auf den Boden sinken und streckte die Beine von sich, um in dieser zumindest halbwegs bequemen Stellung darauf zu warten, dass Hermann-Joseph Lübke die Belagerung ihrer Wohnung aufgab.
3
Ich kann nicht anders.
Ich muss noch einen Augenblick hier stehen bleiben, auch wenn ich meine Freistunden normalerweise nicht damit verbringe, die Schule anzuglotzen. Aber ich wollte unbedingt noch ein letztes Mal in ihre Gesichter sehen, solange die noch heil sind. Ich will sehen, wie sie ihre Pause verbringen und wie sie anschließend zurück in ihre Klassen stolpern, mit ihren fetten Ärschen und diesen widerlich leeren Gesichtern, die irgendwie schon total alt aussehen, obwohl das Leben doch eigentlich gerade erst losgehen sollte.
Tja, SOLLTE …
Dahinten kommen Angel und Mirja, die angeblich Modedesignerin werden will, obwohl sie immer aussieht, als ob sie gerade auf dem Weg zum Straßenstrich ist. Aber was das betrifft, täuscht der äußere Schein! In puncto Rumvögeln ist die süße kleine Angela eindeutig die Schlimmere von beiden. Keine Ahnung, mit wie vielen Typen die gefickt hat, aber nach allem, was man so hört, muss es ungefähr die halbe Schule gewesen sein. (Vermutlich die männliche Hälfte, haha!)
Jetzt lachen sie auch, fast so, als hätten sie mich gehört, und Mirja zerrt Angel bei jedem zweiten Wort am Ärmel. So von weitem sieht es fast aus, als würde sich eine Ertrinkende an einem Stück Holz festklammern, und das finde ich jetzt schon fast wiederprophetisch. Auch wenn die süße kleine Mirja natürlich keine Ahnung hat, wie nahe sie dem großen Meister Tod schon heute Morgen kommen wird … Boooom! Bang! Tja, Schätzchen, das Leben steckt voller Überraschungen!
Auf den ersten Blick ist das hier ein Morgen wie tausend andere.
Aber die Uhr tickt, und euer Tod ist längst beschlossen.
Und noch ehe der Zeiger auf die Zwölf springt, werdet ihr sterben.
Angel streckt derweil ihre Titten raus und benimmt sich, als ob sie keinen Funken Respekt vor sich selbst hätte … Mal sehen, vielleicht schieße ich ihr genau in eins von diesen Dingern!
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