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Quicksilver

Quicksilver

Titel: Quicksilver Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Hand die Wurzel des anderen Daumens rieb, dort wo einst ein glühendes Brenneisen in Form eines V eine Zeit lang in sein Fleisch gedrückt worden war und ein Mal hinterlassen hatte, das zuweilen juckte. »Um aber wieder auf das zurückzukommen, was ich vor deinen ungehobelten Unterbrechungen sagen wollte – die geringste Aufsässigkeit von dir, mein Fräulein, und ich lasse dich in Paris allein zurück.«
    »O Schreck! Nur das nicht, o grausamer Mann!«
    »Du bist genauso naiv wie ein Mädchen aus reichem Haus. Weißt du nicht, dass in Paris jede Frau, die ohne Begleitung angetroffen wird, von diesem Generalleutnant der Polizei – König Louies omnipotentem Mann, der mit einer exorbitanten Machtfülle ausgestattet ist, ein überaus grausamer Unterdrücker von Bettlern und Landstreichern – verhaftet, geschoren, ausgepeitscht et cetera wird?«
    »Aber dann wüsstest du nichts über Landstreicher, o edler Herr.«
    »Schon besser, aber immer noch nicht gut.«
    »Woher hast du so Sachen wie ‚berüchtigtes Attribut’ und ‚exorbitante Machtfülle’ und ‚omnipotent’?«
    »Das Thiahtah, meine Lühbe.«
    »Bist du Schauspieler?«
    »Schauspieler? Schauspieler ?« Das Versprechen, ihr später den Hintern zu versohlen, balancierte auf seiner Zungenspitze wie ein Ball auf der Nase eines Seehunds, aber er schluckte es hinunter, aus Angst, sie könnte ihn mit irgendeiner schlagfertigen Antwort in Verlegenheit bringen. »Lerne Manieren, mein Kind. Manchmal könnte es passieren, dass Landstreicher, wenn sie in christlicher Geberlaune sind, Schauspielern erlauben, sich ihnen in gebührender Entfernung anzuschließen.«
    »Verzeiht mir.«
    »Verdrehst du die Augen unter diesen Bandagen? Ich erkenne das, weißt du – aber jetzt leise! Da ist ein Offizier in der Nähe. Nach seinem Wappen zu urteilen ein neapolitanischer Graf mit mindestens drei Bastarden in seiner Ahnenreihe.«
    Eliza, die zum Glück einen tiefen, aufregend rauen Alt besaß, folgte dem Hinweis und fing an zu stöhnen.
    »Monsieur, Monsieur«, sagte Jack in geradebrechtem Französisch zu ihr, »ich weiß, der Sattel verursacht Euch sicher Schmerzen an diesen riesigen schwarzen Schwellungen, die in den letzten ein, zwei Tagen plötzlich in Eurer Leiste aufgetreten sind, seit Ihr, entgegen meinem Rat, dieses Pärchen ziemlich krank aussehender Zigeunerinnen beschlafen habt – aber wir müssen Euch zu einem Wundarzt oder, falls wir keinen finden, zu einem Bader bringen, damit die türkische Kugel aus Eurem Gehirn gegraben werden kann, bevor es noch mehr solche Krämpfe und wilde Zuckungen gibt …« und so weiter, bis der neapolitanische Graf sich zurückgezogen hatte.
    Das führte zu einer langen Pause, in der Jacks Gedanken wanderten – Elizas, im Rückblick betrachtet, dagegen offensichtlich nicht .
    »Jack, ist es wieder sicher zu reden?«
    »Mit einer Frau zu reden ist für einen Mann eigentlich nie sicher. Aber wir sind jetzt außerhalb des Lagers, ich muss nicht mehr über herumliegende Körperteile steigen, die Donau ist rechts von uns, dahinter erhebt sich Wien. Männer schwärmen aus, um das Lager aufzuschlagen, oder stehen Schlange vor schwer bewachten Wagen, um den Lohn für ihr Tagwerk zu erhalten – ja, so sicher, wie es nur sein kann.«
    »Moment mal! Wann bekommst du denn deinen Lohn, Jack?«
    »Vor der Schlacht wurden Branntweinrationen an uns verteilt, und wertlose kleine Papierfetzen mit etwas drauf, wovon ich annehme, dass es Buchstaben waren, und die sollten am Ende des Tages (so war jedenfalls vom Hauptmann zu hören) in Silber ausgezahlt werden. Jack Shaftoe haben sie damit nicht reingelegt. Ich hab meinen Wisch an einen umtriebigen Juden verkauft.«
    »Wie viel hast du dafür bekommen?«
    »Ich hab ein hervorragendes Geschäft gemacht. Besser einen Spatz in der Hand als zwei auf dem...«
    »Du hast nur fünfzig Prozent gekriegt?«
    »Ist doch gar nicht schlecht, oder? Bedenke, dass ich nur den halben Erlös aus dem Verkauf dieser Straußenfedern bekomme – deinetwegen .«
    »O Jack. Was glaubst du, wie ich mich fühle, wenn du so was sagst?«
    »Was, spreche ich zu laut? Tun dir davon die Ohren weh?«
    »Nein...«
    »Musst du deine Lage ändern?«
    »Nein, nein, Jack, ich spreche nicht von meinen körperlichen Gefühlen.«
    »Was zum Teufel meinst du dann?«
    »Und wenn du sagst: ›Ein schräger Blick und ich lasse dich bei den Polen, die entlaufenen Leibeigenen ein Brandmal auf die Stirn drücken‹ oder: ›Warte nur, bis du

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